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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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der sechsten Nacht. Am Tage waren sie auf dem Forum Romanum umhergestreift und hatten die Galleria Doria Pamphili besucht. Am Abend waren sie durch die unterirdischen Gänge der Villa Borghese zur Spanischen Treppe gegangen und hatten ein Mahl zu sich genommen, dessen Preis Wallander den Atem stocken ließ. Es war ihr letzter Abend, und die Reise, die er jetzt durchaus schon als glücklich bezeichnen konnte, näherte sich ihrem Ende. Wallanders Vater legte die gleiche ungebrochene Energie und Neugier an den Tag wie die ganze Zeit zuvor. Sie waren durch die Stadt geschlendert, hatten bei einem Café haltgemacht, einen Kaffee getrunken und mit einer Grappa angestoßen. Im Hotel hatten sie ihre Schlüssel bekommen, der Abend war wie die anderen Abende, und Wallander war eingeschlafen, kaum daß er sich hingelegt hatte.
    Um halb zwei klopfte es.
    Zuerst wußte er nicht, wo er war. Aber als er schlaftrunken aufsprang und die Tür öffnete, stand der Portier da und erklärte in seinem ausgezeichneten Englisch, daß der alte Herr,
signor
Wallanders Vater, soeben das Hotel verlassen habe. Wallander zog sich hastig an. Als er auf die Straße kam, sah er seinen Vater mit zielbewußten Schritten auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig davonwandern. Wallander folgte ihm in einigem Abstand und dachte, daß er jetzt zum erstenmal seinen eigenen Vater beschattete: seine Vorahnung war richtig gewesen. Zunächst war Wallander unsicher, in welche Richtung sie gingen. Dann, als die Straßen schmaler wurden, merkte er, daß sie auf dem Weg zur Spanischen Treppe waren. Er hielt den Abstand zu seinem Vater. Und dann sah er, wie sein Vater in der warmen römischen Nacht die vielen Stufen der Spanischen Treppe hinaufstieg, bis hinauf zur Kirche mit den beiden Türmen. Dort setzte er sich, er war wie ein schwarzer Punkt dort oben, und Wallander hielt sich im Schatten. Sein Vater blieb fast eine Stunde dort. Dann erhob er sich und stieg die Treppe wieder hinunter. Wallander beschattete ihn weiter, es war der geheimnisvollste Auftrag, den er je ausgeführt hatte, und bald befanden sie sich an der Fontana di Trevi, wo sein Vater allerdings keine Münze über die Schulter warf, sondern nur das Wasser betrachtete, das aus dem großen Springbrunnen sprudelte. Sein |35| Gesicht wurde von einer Straßenlaterne beleuchtet, und Wallander ahnte ein Glänzen in seinen Augen.
    Danach kehrten sie ins Hotel zurück.
    Am nächsten Tag saßen sie in der Alitalia-Maschine nach Kopenhagen, Wallanders Vater auf einem Fensterplatz, genau wie auf dem Hinflug, und Wallander hatte an seinen Händen gesehen, wie braungebrannt er war. Erst auf der Fähre zurück nach Limhamn fragte Wallander seinen Vater, ob er mit der Reise zufrieden sei. Dieser hatte genickt und etwas Unverständliches gemurmelt, und Wallander wußte, daß dies das Maximum an Begeisterung war, das er erwarten konnte. Gertrud hatte sie in Limhamn abgeholt und nach Hause gefahren. Sie hatten Wallander in Ystad abgesetzt, und später am Abend, als er anrief und fragte, ob alles in Ordnung sei, hatte Gertrud geantwortet, der Vater sitze schon wieder in seinem Atelier und male sein stets wiederkehrendes Motiv, den Sonnenuntergang über einer unbewegten, windstillen Landschaft.
     
    Wallander stand auf und ging in die Küche. Es war halb sechs. Er machte Kaffee.
Warum ist er in die Nacht hinausgegangen? Warum hat er dort auf der Treppe gesessen? Was hat seine Augen am Springbrunnen zum Glänzen gebracht?
    Er wußte keine Antwort. Aber er hatte einen Blick in die heimliche innere Landschaft seines Vaters werfen dürfen. Er war auch einsichtig genug gewesen, außerhalb des unsichtbaren Zauns zu bleiben. Er würde den Vater auch nie nach seinem einsamen Spaziergang durch das nächtliche Rom fragen.
    Während die Kaffeemaschine lief, ging Wallander ins Bad. Er stellte mit Genugtuung fest, daß er frisch und energisch aussah. Die Sonne hatte sein Haar gebleicht. Vielleicht hatte er wegen der vielen Spaghetti zugenommen. Aber er stieg nicht auf die Waage. Er fühlte sich erholt. Das war am wichtigsten. Er war froh, daß sie die Reise tatsächlich gemacht hatten.
    Das Gefühl, daß er bald, in wenigen Stunden, wieder Polizist wäre, bereitete ihm kein Unbehagen. Häufig war es ihm schwergefallen, nach dem Urlaub wieder zur Arbeit zurückzukehren. Besonders in den letzten Jahren war seine Unlust groß gewesen. |36| Er hatte sich zeitweilig ernsthaft mit dem Gedanken getragen, seine Arbeit als Polizeibeamter

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