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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sehr klar. Sie standen im Schatten an einem länglichen Haus mit heruntergelassenen Jalousien vor geschlossenen Geschäften. Auf der anderen Straßenseite lag hinter einem hohen Eisengitter ein steinernes Haus. Der Mann, der sie hierhergeführt hatte, verschwand lautlos in den Schatten. Sie waren wieder nur vier. Alles war sehr still. Farid hatte so etwas noch nicht erlebt. In Algier war es nie so still. In den neunzehn Jahren seines bisherigen Lebens hatte er sich noch nie in einer solchen Stille befunden wie jetzt.
    Nicht einmal die Hunde, dachte er. Nicht einmal die Hunde, die es hier im Dunkeln gibt, kann ich hören.
    In einigen Fenstern des Hauses auf der anderen Straßenseite war Licht. Ein Bus mit flackernden defekten Scheinwerfern fuhr scheppernd vorüber. Dann war es wieder still.
    Eins der Lichter in den Fenstern erlosch. Farid versuchte, die Zeit zu berechnen. Vielleicht hatten sie eine halbe Stunde gewartet. Er war sehr hungrig, denn er hatte seit dem frühen Morgen nichts gegessen. Das Wasser aus den beiden Flaschen war jetzt auch verbraucht. Aber er wollte nicht um mehr bitten. Der Mann, der sie anführte, würde empört sein. Sie waren im Begriff, einen heiligen Auftrag auszuführen, und er fragte nach Wasser.
    Noch ein Licht erlosch. Kurz danach das letzte. Das Haus auf der anderen Straßenseite war jetzt dunkel. Sie warteten weiter. Dann gab der Anführer ein Zeichen, und sie hasteten über die Straße. Am Tor saß ein alter Wachmann und schlief. Er hatte einen Holzknüppel in der Hand. Der Anführer gab ihm einen Tritt. Als der Wachmann aufwachte, sah Farid, wie der Anführer ihm ein Messer dicht ans Gesicht hielt und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Obwohl die Straßenbeleuchtung schlecht war, bemerkte Farid die Angst in den Augen des Alten. Dann stand der Mann auf und |12| humpelte auf steifen Beinen davon. Das Tor knirschte leicht, als sie öffneten und in den Garten glitten. Es duftete schwer nach Jasmin und nach einem Gewürzkraut, das Farid kannte, dessen Name ihm aber nicht einfiel. Alles war noch immer sehr still. Auf einem Schild neben dem hohen Portal des Hauses stand ein Text:
Orden der Christlichen Schwestern
. Farid versuchte sich klarzumachen, was das bedeutete. Im gleichen Augenblick spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Er fuhr zusammen. Der Anführer berührte ihn. Zum erstenmal sprach er so leise, daß nicht einmal der Nachtwind hören konnte, was gesagt wurde.
    »Wir sind vier«, sagte er. »In diesem Haus sind auch vier Menschen. Sie schlafen in verschiedenen Zimmern auf beiden Seiten eines Korridors. Sie sind alt, und sie werden keinen Widerstand leisten.«
    Farid sah die beiden anderen Männer an, die neben ihm standen. Sie waren ein paar Jahre älter als er. Plötzlich war Farid sich sicher, daß sie so etwas schon einmal gemacht hatten. Nur er selbst war neu. Trotzdem fühlte er keine Unruhe. Rachid hatte beteuert, daß das, was er tat, dem Propheten wohlgefällig war.
    Der Anführer sah ihn an, als habe er seine Gedanken erraten.
    »In diesem Haus wohnen vier Frauen«, sagte er dann. »Es sind Ausländerinnen, die es abgelehnt haben, freiwillig unser Land zu verlassen. Deshalb haben sie den Tod gewählt. Außerdem sind sie Christen.«
    Ich soll eine Frau töten, fuhr es Farid durch den Kopf. Davon hatte Rachid nichts gesagt.
    Dafür konnte es nur eine Erklärung geben.
    Es bedeutete nichts. Es machte keinen Unterschied.
    Dann gingen sie ins Haus. Das Türschloß ließ sich leicht mit einer Messerklinge öffnen. Drinnen im Dunkeln, wo es sehr heiß war, denn die Luft stand vollständig still, machten sie Taschenlampen an und suchten vorsichtig den Weg über eine breite Treppe nach oben. Im Korridor des Obergeschosses hing eine einsame Glühbirne an der Decke. Immer noch war alles sehr still. Vier geschlossene Türen lagen vor ihnen. Sie hatten die Messer herausgeholt. Der Anführer zeigte auf die Türen und nickte. Farid wußte, daß er jetzt nicht zögern durfte. Rachid hatte gesagt, daß |13| alles sehr schnell gehen müsse. Er solle vermeiden, die Augen anzusehen. Er solle nur den Hals ansehen, und dann schneiden, fest und entschlossen.
     
    Nachher konnte er sich auch nicht an viel erinnern. Die Frau, die mit einem weißen Laken bedeckt im Bett gelegen hatte, war vielleicht grauhaarig gewesen. Er hatte sie nur ungenau gesehen, weil das Licht, das von der Straße hereinfiel, sehr schwach war. Im gleichen Augenblick, als er das Laken fortzog, war sie erwacht, aber sie

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