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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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aber nicht jetzt. Der provisorische Schlußpunkt galt bis auf weiteres. Vielleicht würde Per Åkesson ihn um weitere Details bitten. Aber er bezweifelte das. Die Anklage war schon jetzt mehr als gut untermauert.
    Die Wahrheit war, daß er nichts hatte, wohin er fahren konnte. Gerade an diesem Tag, dem 5.   Dezember, gab es niemand, der ihn wirklich im Ernst brauchte.
    Ohne sich eigentlich darüber im klaren zu sein, fuhr er nach Vollsjö. Hielt vor dem Hansgården. Was mit dem Haus geschehen würde, war unklar. Yvonne Ander war die Besitzerin und würde es vermutlich während all der Jahre, die sie im Gefängnis zubringen würde, bleiben. Sie hatte keine näheren Verwandten, nur ihre tote Schwester und ihre tote Mutter. Es war fraglich, ob sie überhaupt Freunde hatte. Katarina Taxell war von ihr abhängig gewesen, hatte ihre Unterstützung gehabt, wie die anderen Frauen. Aber Freunde? Wallander schauderte es bei dem Gedanken. Yvonne Ander hatte nicht einen einzigen Menschen, der ihr wirklich nahestand. Sie tauchte aus einem Vakuum auf, und sie tötete Menschen.
    Wallander stieg aus dem Wagen. Das Haus strahlte Einsamkeit aus. Als er darum herumging, sah er, daß ein Fenster nur angelehnt war. Das hätte nicht sein dürfen. Es konnte leicht eingebrochen werden. Yvonne Anders Haus konnte zum Objekt für Trophäenjäger werden. Wallander holte eine Holzbank und stellte sie unter das Fenster. Dann stieg er ein. Sah sich um. Noch deutete nichts auf einen Einbruch hin. Das Fenster war nur aus Nachlässigkeit nicht geschlossen worden. Er ging durch die Zimmer. Betrachtete mit einem Gefühl von Beklommenheit den Backofen. Da verlief eine unsichtbare Grenze. Darüber hinaus würde er sie nie verstehen.
    Er dachte noch einmal, daß die Ermittlung jetzt abgeschlossen war. Sie hatten einen Schlußstrich unter die makabre Liste gezogen, die Sprache der Mörderin gedeutet und sie selbst am Ende auch gefunden.
    |562| Deshalb fühlte er sich überflüssig. Er wurde nicht mehr gebraucht. Wenn er aus Stockholm zurückkäme, würde er wieder an die Ermittlung um die Autos gehen, die in die ehemaligen Ostblockstaaten geschmuggelt wurden.
    Erst dann würde er eigentlich für sich selbst wieder wirklich werden.
    Das Telefon piepte in der Stille. Erst beim zweiten Signal wurde ihm klar, daß es aus seiner Jackentasche piepte. Er holte das Telefon hervor. Es war Per Åkesson.
    »Störe ich?« fragte er. »Wo bist du?«
    Wallander wollte nicht sagen, wo er war. »Ich sitze im Auto«, sagte er. »Aber ich parke.«
    »Ich nehme an, du weißt von nichts«, sagte Per Åkesson. »Aber es wird keinen Prozeß geben.«
    Wallander verstand nicht. Der Gedanke war ihm ganz einfach nicht gekommen, obwohl er so naheliegend war. Er hätte vorbereitet sein sollen.
    »Yvonne Ander hat Selbstmord begangen«, sagte Per Åkesson. »Irgendwann letzte Nacht. Heute früh hat man sie tot aufgefunden.«
    Wallander hielt den Atem an. Noch sträubte sich etwas in ihm, weigerte sich zu zerspringen.
    »Sie scheint Zugang zu Schlaftabletten gehabt zu haben. Was nicht hätte sein dürfen. Jedenfalls nicht zu einer solchen Menge, daß sie sich das Leben nehmen konnte. Richtig bösartige Personen werden sich natürlich fragen, ob du sie ihr gegeben hast.«
    Wallander hörte, daß dies keine verdeckte Frage war. Aber er antwortete trotzdem. »Ich habe ihr nicht geholfen.«
    »Das Ganze scheint einen friedlichen Eindruck gemacht zu haben. Alles war in bester Ordnung. Sie scheint sich entschlossen und es getan zu haben. Eingeschlafen. Man kann sie natürlich verstehen.«
    »Kann man?« fragte Wallander.
    »Sie hat einen Brief hinterlassen. Mit deinem Namen drauf. Er liegt hier vor mir auf dem Tisch.«
    Wallander nickte ins Telefon. »Ich komme«, sagte er. »Ich bin in einer halben Stunde da.«
    |563| Er blieb mit dem Telefon in der Hand stehen. Versuchte zu entscheiden, was er eigentlich fühlte. Leere, vielleicht eine vage Empfindung von Ungerechtigkeit. Etwas anderes? Er kam zu keiner Klarheit.
    Er kontrollierte, daß das Fenster ordentlich geschlossen war, und verließ das Haus durch die Vordertür, die ein Schnappschloß hatte.
    Der Dezembertag war sehr klar. Irgendwo ganz in der Nähe lauerte schon der Winter.
     
    Er fuhr nach Ystad, um seinen Brief zu holen.
    Per Åkesson war nicht da, aber die Sekretärin war informiert. Wallander ging in Åkessons Zimmer. Der Brief lag mitten auf dem Tisch.
    Er nahm ihn mit und fuhr hinunter zum Hafen, ging hinaus zum roten

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