Wallander 07 - Mittsommermord
Martinssons? Oder Ann-Britts? Irgendwo in ihrer Nähe gab es einen Menschen, der sehr gut informiert war.
Wallander wußte, daß seine Vorstellungen zutrafen, auch wenn sie noch nicht richtig zusammenhingen.
Die Person, die Svedberg und auch die drei Jugendlichen getötet |269| hatte, besaß Zugang zu allen Informationen, die sie benötigte. Das Mittsommerfest war unter größter Geheimhaltung geplant worden. Nicht einmal die Eltern wußten etwas. Aber jemand anders. Jemand, der auch entdeckt hatte, daß Svedberg ihm dicht auf den Fersen war.
Svedberg muß ihm zu nahe gekommen sein, dachte Wallander. Ohne sich dessen bewußt zu sein, hatte er verbotenes Gelände betreten. Deshalb wurde er ermordet. Eine andere Erklärung kommt ganz einfach nicht in Frage.
So weit meinte Wallander, seine eigenen Gedanken überschauen zu können, als er dort am Wasserturm im Gras saß. Aber darüber hinaus war alles sehr unklar. Warum stand das Teleskop in Björklunds Schuppen? Warum hatte jemand falsche Postkarten aus verschiedenen europäischen Ländern geschickt? Warum diese Verzögerung? Es gab so viele Fragen, und sie hingen nicht zusammen.
Ich muß Isa finden, dachte er. Und sie dazu bringen, zu erzählen. Ich muß sie dazu bringen, von Dingen zu sprechen, von denen sie nicht einmal weiß, daß sie sie weiß. Und ich muß Svedbergs Spur finden. Was hatte er entdeckt, was uns anderen entgangen war? Oder hatte er schon von Anfang an einen Verdacht, den wir anderen ganz einfach nicht haben konnten?
Wallander dachte an Louise. Die Frau, mit der Svedberg heimlich ein Verhältnis hatte.
Etwas an der Fotografie hatte ihn beunruhigt. Er wußte noch immer nicht, was. Während er dort mit dem Rücken an die Steinmauer des Wasserturms gelehnt saß, sagte er sich, daß die vier Jugendlichen und Svedberg etwas gemeinsam hatten. Sie hüteten alle ein Geheimnis. Vielleicht lag hier, wenn auch noch verborgen, der Berührungspunkt, nach dem er suchte?
Wallander stand auf. Noch immer schmerzte sein ganzer Körper nach den Stunden, die er zusammengekrümmt auf der Rückbank seines Wagens verbracht hatte. Er ging zurück zum Präsidium.
Die größte Unruhe war die Angst davor, daß der Täter wieder zuschlagen würde.
Auf dem Parkplatz des Präsidiums blieb er stehen. Auf einmal |270| sah er die Lage vollkommen klar. Er mußte hinauffahren nach Bärnsö und herausfinden, ob Isa Edengren dort war.
So viele Dinge waren wichtig. Aber er mußte eine Entscheidung treffen. Und er entschied sich dafür, zunächst sie zu finden.
Er kehrte in sein Zimmer zurück und erreichte Martinsson, der endlich das Haus der Normans im Käringvägen verlassen hatte.
»Ist noch etwas passiert?« wollte Martinsson wissen.
»Viel zu wenig. Warum hören wir nichts von den Gerichtsmedizinern? Wir sind hilflos, wenn wir keine Tatzeitpunkte bekommen. Warum gehen keine brauchbaren Hinweise ein? Wo sind die verschwundenen Autos? Wir müssen miteinander reden. Komm so schnell wie möglich her.«
Um vier Uhr erreichten sie endlich Ann-Britt Höglund, die sowohl mit Eva Hillström als auch mit Martin Boges Eltern in Simrishamn gesprochen hatte. Während sie auf ihre Rückkehr warteten, riefen Wallander und Martinsson noch einmal bei den Jugendlichen an, die sie auf Svedbergs Bild identifiziert hatten. Es zeigte sich, daß alle bei verschiedenen Gelegenheiten Isa auf Bärnsö besucht hatten. Martinsson gelang es sogar, mit einem der Gerichtsmediziner in Lund zu sprechen, doch es war noch immer nicht möglich, genaue Zeitpunkte zu nennen. Weder in Svedbergs Fall noch in dem der ermordeten Jugendlichen. Wallander ging eine Liste mit den Hinweisen aus der Bevölkerung durch. Martinsson hatte einen jungen Polizeianwärter mit der Sichtung betraut. Nichts deutete darauf hin, daß jemand wichtige Beobachtungen gemacht hatte, weder in der Lilla Norregata noch draußen im Naturreservat. Am sonderbarsten aber war, daß niemand sich gemeldet hatte, der die Frau namens Louise zu kennen glaubte. Darauf zielte Wallanders erste Bemerkung, nachdem er sich mit seinen beiden Kollegen in eins der kleineren Sitzungszimmer zurückgezogen hatte. Er hatte die Fotografie wieder in den Projektor gelegt.
»Irgend jemand muß sie doch kennen«, sagte er. »Oder wenigstens wissen, wer sie ist. Aber niemand hat sich gemeldet.«
»So viele Stunden sind allerdings seit der Veröffentlichung des Bildes noch nicht vergangen«, meinte Martinsson.
Wallander erkannte diese Erklärung nicht an.
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