Wallander 07 - Mittsommermord
Da bleibt Erde übrig.«
Wallander zog mit der Hand die Kante einer Grassode nach. »Es macht den Eindruck, als sei sehr exakt gegraben worden.«
Nyberg nickte. »Ein geometrisches Muster. Keine Schlamperei. Wir hätten diese Stelle nie gefunden, wenn wir uns nicht gesagt hätten, daß sie existieren muß. Und zwar in unmittelbarer Nähe.«
Wallander stand auf. »Dann graben wir«, sagte er. »Es gibt keinen Grund zu warten.«
Die Arbeit kam langsam voran. Nyberg dirigierte. Es war bereits Abend geworden, als sie die oberste Schicht von Grassoden entfernt hatten. Scheinwerfer waren montiert und eingeschaltet worden. Unter den Grassoden war die Erde porös. Sie gruben weiter und konnten schließlich eine rechteckige Öffnung erkennen. Da war es nach neun Uhr. Lisa Holgersson war mit Ann-Britt Höglund herausgekommen. Schweigend verfolgten sie die Arbeit. Als Nyberg zufrieden war und das Graben einstellen ließ, hatte Wallander ein klares Bild gewonnen. Das rechteckige Loch vor ihm war ein Grab gewesen.
Sie sammelten sich in einem Halbkreis um die Öffnung.
»Es ist groß genug«, sagte Nyberg.
»Ja«, sagte Wallander. »Es ist groß genug. Sogar für vier Körper.«
Ihn fröstelte. Zum erstenmal während der Ermittlung war es ihnen gelungen, dem unbekannten Täter ganz nah zu kommen. Und ihre Vermutungen waren richtig.
Nyberg kniete neben der Grube. »Hier ist nichts«, sagte er. »Aber wahrscheinlich waren die Körper in luftdichten Säcken verpackt. |276| Und wenn dann eine Plastikfolie unter den Grassoden gelegen hat, würde nicht einmal Edmundssons Hund etwas gerochen haben. Aber wir werden natürlich jeden Erdklumpen genau untersuchen.«
Wallander kehrte zusammen mit Lisa Holgersson und Ann-Britt Höglund zum Pfad zurück.
»Worauf ist dieser Täter aus?« fragte Lisa Holgersson. Ihre Stimme verriet Abscheu und Furcht zugleich.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Wallander. »Aber auf jeden Fall haben wir eine Überlebende.«
»Isa Edengren?«
Wallander antwortete nicht. Es war unnötig. Alle drei wußten es.
Das Grab war auch für sie gedacht gewesen.
|277| 18
Am Dienstag, dem 13. August, verließ Wallander um fünf Uhr früh in seinem Wagen Ystad. Er hatte sich für die Küstenstraße über Kalmar entschieden und war schon hinter Sölvesborg, als ihm einfiel, daß er das Dr. Göransson gegebene Versprechen, an diesem Morgen die Klinik aufzusuchen, vollkommen vergessen hatte.
Er fuhr an den Straßenrand und rief Martinsson an. Es war kurz nach halb sieben, das warme und klare Wetter hielt noch an. Wallander berichtete Martinsson von seinem Arzttermin und bat ihn, Bescheid zu sagen, daß er nicht kommen könne.
»Sag, es handelt sich um eine dringende Dienstreise«, bat Wallander.
»Bist du krank?« fragte Martinsson.
»Nur eine Routineuntersuchung«, gab Wallander zurück. »Nichts weiter.«
Als er wieder auf der Fahrbahn war und seine Reisegeschwindigkeit erreicht hatte, dachte er, daß Martinsson sich gefragt haben mußte, warum er Dr. Göransson nicht direkt anrief. Er fragte sich das gleiche. Und warum sagte er nicht frei heraus, daß er wahrscheinlich an der Volkskrankheit Nummer eins, an Diabetes, erkrankt war? Er hatte Schwierigkeiten, seine eigenen Beweggründe zu verstehen.
Kurz vor Brömsebro wurde er so müde, daß er eine Pause einlegen mußte.
Er verließ die Straße und fuhr zu dem Gedenkstein, der an einen einst zwischen Schweden und Dänemark geschlossenen Frieden erinnerte.
Im Schatten eines Baums pinkelte er. Dann setzte er sich wieder hinters Steuer, schloß die Augen und schlief ein.
|278| In seinen Träumen bewegten sich ruhelose Gestalten in unbekannten Kombinationen und Mustern. Es regnete. Wallander suchte nach Ann-Britt Höglund. Aber er fand sie nicht. Plötzlich tauchte sein Vater auf. Linda war auch da, aber er erkannte sie kaum wieder. Und die ganze Zeit ein hartnäckiger Regen.
Er erwachte langsam. Wußte, wo er sich befand, bevor er die Augen aufschlug. Die Sonne schien ihm ins Gesicht. Er schwitzte und hatte Durst. Ausgeruht fühlte er sich nicht. Er blickte zur Uhr. Zu seiner Verwunderung hatte er über eine halbe Stunde geschlafen. Sein Körper schmerzte. Er ließ den Motor an und fuhr wieder auf die Straße. Nach ungefähr zwanzig Kilometern kam er an ein Rasthaus. Er hielt an und frühstückte. Bevor er weiterfuhr, kaufte er zwei Literflaschen Mineralwasser. Kurz vor neun hatte er Kalmar passiert. Sein Telefon piepte. Es war Ann-Britt
Weitere Kostenlose Bücher