Wallander 07 - Mittsommermord
hiergewesen.«
»Also möglich ist es?«
»Ja.«
Wallander verließ Fyrudden. In Valdemarsvik hielt er an und tankte. Dann fuhr er auf der Küstenstraße nach Süden. Der Himmel war wolkenlos. Er hatte das Fenster heruntergekurbelt. Kurz vor Västervik spürte er, daß er nicht mehr weiterkonnte. Er mußte etwas essen. Und schlafen. Bei der Ausfahrt nach Västervik hielt er an einer Raststätte. Er bestellte ein Omelett, Mineralwasser und Kaffee. Die Frau, die seine Bestellung entgegennahm, lächelte.
»In Ihrem Alter sollte man nachts schlafen«, meinte sie freundlich.
Wallander blickte sie verblüfft an. »Sieht man das so deutlich?«
Sie beugte sich nieder und holte aus ihrer Handtasche unter der Theke einen Taschenspiegel. Sie hielt ihn Wallander hin, und er sah, daß sie recht hatte. Er war bleich und hohläugig. Seine Haare standen zu Berge.
»Stimmt«, sagte er. »Ich esse jetzt mein Omelett. Und dann schlafe ich eine Weile im Wagen.«
»Ich habe einen Raum hinter der Küche«, sagte sie. »Da steht ein Bett. Das dürfen Sie nehmen.«
Sie ging, ohne seine Antwort abzuwarten. Wallander blickte ihr verwundert nach.
Als er gegessen hatte, ging er zu der Tür, die zur Küche führte. Sie stand offen.
»Gilt Ihr Angebot noch?« fragte er.
»Ich pflege meine Angebote nicht so leicht zu ändern.«
Sie zeigte ihm den Raum, in dem das Bett stand. Es war ein einfaches Feldbett, mit einem Überwurf.
»Auf jeden Fall ist es besser als eine Rückbank«, sagte sie. »Aber Polizisten sind ja daran gewöhnt, überall zu schlafen.«
|306| »Woher wissen Sie, daß ich Polizist bin?«
»Als Sie bezahlten, habe ich in ihrer Brieftasche Ihren Polizeiausweis gesehen. Ich war mit einem Polizisten verheiratet. Deshalb habe ich den Ausweis erkannt.«
»Ich heiße Kurt. Kurt Wallander.«
»Erika. Jetzt schlafen Sie gut.«
Wallander legte sich auf das Bett. Sein ganzer Körper schmerzte. Sein Kopf war vollkommen leer. Er überlegte noch, ob er nicht in Ystad anrufen und sagen sollte, er sei auf dem Weg. Aber es war ihm zuviel. Er schloß die Augen und schlief ein.
Als er erwachte, wußte er nicht, wo er sich befand. Er sah auf die Uhr. Schon sieben. Heftig setzte er sich auf. Er hatte also mehr als fünf Stunden geschlafen. Fluchend griff er zu seinem Telefon und rief in Ystad an. Martinsson nahm nicht ab. Er rief Hansson an.
»Wo zum Teufel steckst du? Wir versuchen den ganzen Tag, dich zu erreichen. Warum hast du dein Telefon nicht eingeschaltet?«
»Die Batterie muß locker sein. Ist etwas passiert?«
»Nichts, außer daß wir uns gefragt haben, wo du steckst.«
»Ich komme auf schnellstem Wege. Gegen elf sollte ich in Ystad sein.«
Wallander beendete das Gespräch so schnell wie möglich. Als die Frau, die Erika hieß, in der Tür auftauchte, zuckte er zusammen.
»Ich glaube, Sie hatten Schlaf nötig«, sagte sie.
»Eine Stunde hätte gereicht. Ich hätte Sie bitten sollen, mich zu wecken.«
»Es ist Kaffee da. Aber kein warmes Essen. Ich habe geschlossen.«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie gewartet haben, bis ich wach geworden bin?«
»Die Buchführung muß ja auch mal gemacht werden.«
Sie traten in den leeren Gastraum. Sie stellte Kaffee und einen Teller mit Broten hin. Dann setzte sie sich ihm gegenüber an den Tisch.
»Ich habe Radio gehört«, sagte sie. »Von einem Mädchen, das |307| draußen auf einer Insel getötet worden ist. Und von einem Polizeibeamten aus Schonen, der sie gefunden hat. Ich nehme an, das waren Sie?«
»Ja. Aber ich möchte am liebsten nicht darüber sprechen. Sie sagten, Sie wären mit einem Polizisten verheiratet gewesen?«
»Ich wohnte damals in Kalmar. Nach der Scheidung bin ich hierhergezogen. Ich hatte genug Geld, um dieses Rasthaus zu kaufen.«
Sie erzählte von den ersten Jahren. Von dem Lokal, das sich nicht trug. Aber jetzt ging es besser. Wallander hörte zu. Aber hauptsächlich saß er da und sah sie an. Am liebsten hätte er sie angefaßt. Um sich an etwas Wirklichem festzuhalten, etwas Alltäglichem.
Er blieb eine halbe Stunde sitzen. Dann zahlte er und ging zu seinem Wagen. Sie begleitete ihn hinaus.
»Ich weiß nicht richtig, wie ich Ihnen danken soll«, sagte er.
»Warum soll man immer danken?« fragte sie. »Fahren Sie vorsichtig.«
Um elf Uhr erreichte Wallander Ystad. Er fuhr auf direktem Weg ins Präsidium, wo die Arbeit in vollem Gange war. Er sammelte alle in dem größten Sitzungszimmer um sich. Auch Nyberg und Lisa Holgersson waren
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