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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Dr.   Göransson hatte nichts dergleichen im Sinn. Nachdem er erneut konstatiert hatte, daß Wallanders Zuckerwerte zu hoch waren, daß er außerdem Zucker mit dem Urin ausschied und sein Blutdruck zu Sorgen Anlaß gab, verschrieb er ihm ein Medikament und verordnete ihm eine radikale Änderung seiner katastrophalen Eßgewohnheiten.
    »Wir müssen Ihre Symptome an mehreren Fronten gleichzeitig bekämpfen«, sagte er. »Alles hängt zusammen und muß auch als Ganzes gelöst werden. Aber wir erreichen nichts, wenn Sie nicht den entscheidenden Beitrag selbst leisten.«
    Er gab Wallander die Telefonnummer einer Ernährungsberaterin. Mit einem Rezept in der Hand verließ Wallander die Praxis. Es war kurz nach acht. Er mußte eigentlich sofort ins Präsidium, fühlte sich aber noch nicht richtig bereit. Er ging in die Konditorei am Stortorg und trank Kaffee. Diesmal verzichtete er jedoch auf den Kopenhagener.
    Was tue ich jetzt? dachte er. Ich bin für die Aufklärung des brutalsten Massenmords der letzten Jahre in Schweden verantwortlich. Die kritischen und fordernden Blicke jedes einzelnen Polizisten sind auf mich gerichtet, weil einer der Toten Polizist war. Die Zeitungen und die Massenmedien beäugen mich. Außerdem werden die Eltern der toten Jugendlichen aller Wahrscheinlichkeit nach Kritik an mir üben. Alle werden erwarten, daß ich binnen weniger Tage, am besten weniger Stunden, einen Täter präsentiere |313| und eine Beweisführung vorlege, die auch dem hartgesottensten Staatsanwalt Respekt abverlangt. Das Problem aber ist, daß die Wirklichkeit anders aussieht. Ich habe nichts. Heute vormittag werde ich meine Kollegen um mich versammeln, und wir werden wieder von vorn anfangen. Auch wenn ein Anfang sich nie wiederholen läßt. Aber das Gefühl teilen wir alle. Wir befinden uns nicht einmal andeutungsweise in der Nähe eines Durchbruchs. Wir befinden uns in einem Vakuum.
    Er trank seinen Kaffee aus. An einem Nebentisch saß ein Mann und las die Morgenzeitung. Die Schlagzeilen waren groß und schwarz. Wallander verließ hastig die Konditorei. Weil es noch immer nicht besonders spät war, entschied er, noch etwas zu erledigen, bevor er ins Präsidium ging. Er ging zur Vädergränd und klingelte bei Bankdirektor Sundelius. Es bestand das Risiko, daß Sundelius keine Besucher ohne vorherige Anmeldung empfing. Andererseits wußte Wallander, daß das Risiko, Sundelius könnte noch nicht aufgestanden sein, äußerst gering war.
    Die Tür wurde geöffnet. Obwohl es erst halb neun war, trug Sundelius einen Anzug. Der Knoten seiner Krawatte war ein Wunder an Perfektion. Er öffnete ohne alle Umstände die Tür weit, bat Wallander einzutreten und ging in die Küche, um ein Kaffeetablett zu holen.
    »Ich habe immer heißes Wasser parat, falls unerwarteter Besuch kommt«, sagte er. »Zuletzt war es vor einem Jahr. Aber man kann ja nie wissen.«
    Wallander setzte sich auf ein Sofa und zog die Tasse näher heran. Sundelius hatte ihm gegenüber Platz genommen.
    »Beim letztenmal wurden wir unterbrochen«, sagte Wallander.
    »Die Ursache ist ja mit aller wünschenswerten Deutlichkeit klargeworden«, antwortete Sundelius. »Was sind das eigentlich für Menschen, die wir in dieses Land lassen?«
    Der Kommentar verblüffte Wallander.
    »Es gibt keinerlei Anzeichen, die dafür sprechen, daß diese Verbrechen von Einwanderern begangen wurden«, sagte er. »Warum glauben Sie das?«
    »Das ist doch ziemlich selbstverständlich«, sagte Sundelius. »So etwas kann doch kein Schwede getan haben.«
    |314| Wallander sah ein, daß es am besten war, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Sundelius war kaum ein Mann, der sich von seinen Ansichten oder Vorurteilen ohne weiteres abbringen ließ. Doch trotzdem konnte Wallander es nicht lassen, ihm zu widersprechen.
    »Nichts deutet auf einen Täter ausländischer Herkunft hin. Das ist vollkommen klar. Reden wir statt dessen über Karl Evert. Sie kannten ihn also ziemlich gut?«
    »Für mich war er kurz und bündig Kalle.«
    »Wie lange kannten Sie sich schon?«
    »An welchem Tag starb er?«
    Wieder war Wallander verblüfft. »Das wissen wir noch nicht. Wieso?«
    »In diesem Fall hätte ich Ihnen eine exakte Antwort geben können. Lassen Sie mich also bis auf weiteres sagen, daß wir uns neunzehn Jahre, sieben Monate und etwa fünfzehn Tage kannten, als er so tragisch aus dem Leben schied. Ich habe mein ganzes Leben hindurch exakte Aufzeichnungen gemacht. Das einzige, was ich nicht

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