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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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dabei. Auf der Fahrt von Västervik hatte Wallander noch einmal alles rekapituliert, angefangen mit jener Nacht, als er wachgeworden war und eine Unruhe darüber verspürt hatte, es könnte Svedberg etwas passiert sein. Das Gefühl, Isa Edengren im Stich gelassen zu haben, war nicht von ihm gewichen. Aber da war auch Zorn über das, was geschehen war. Mehrmals hatte er in seiner Wut aufs Gas getreten, ohne es zu merken. Einmal war er über einhundertfünfzig Stundenkilometer gefahren.
    Sein Zorn galt nicht nur dem sinnlosen Töten. Er hatte auch mit dem Gefühl des Versagens zu tun. Noch immer wußten sie nicht, in welche Richtung sie sich wenden sollten. Und jetzt ist Isa Edengren auf Bärnsö erschossen worden. Vor seinen Augen.
    Er berichtete von den Ereignissen auf der Insel. Nachdem er anschließend Fragen beantwortet und einen Bericht über die Lage |308| in Ystad angehört hatte, machte er eine sehr kurze Zusammenfassung. Es war inzwischen nach Mitternacht.
    »Morgen müssen wir wieder von vorn anfangen«, schloß er. »Von vorn anfangen und vorwärts gehen. Früher oder später fassen wir denjenigen, der diese Wahnsinnstaten begangen hat. Aber jetzt halte ich es für das Beste, wenn alle nach Hause gehen und schlafen. Wenn es bisher harte Arbeit war, so wird es von jetzt an noch schlimmer.«
    Wallander verstummte. Martinsson setzte an, etwas zu sagen, unterließ es aber.
    Nach der Sitzung verließ Wallander den Raum als erster. Dann schloß er die Tür seines Zimmers hinter sich. Niemand konnte mißverstehen, daß er in Ruhe gelassen werden wollte.
    Er setzte sich und dachte über das nach, was er während ihrer Sitzung nicht gesagt hatte. Worüber sie aber am nächsten Tag sprechen würden.
    Isa Edengren war tot. Hieß das, daß der Mörder an seinem Endpunkt angelangt war? Oder würde er wieder zuschlagen?

|309| Teil 2

|311| 20
    Am Donnerstag, dem 15.   August, fand sich Wallander endlich zu dem mehrfach verschobenen Besuch bei Dr.   Göransson ein. Er hatte keinen Termin, wurde aber dennoch sofort vorgelassen. Obwohl er sehr müde war und während der Nacht unruhig geschlafen hatte, ließ er den Wagen stehen, als er früh am Morgen aus dem Haus trat. Er wußte, daß jeder Tag ihm eine neue Entschuldigung liefern würde, nicht damit anzufangen, sich mehr zu bewegen. Dieser Tag war so unpassend wie jeder andere. Also konnte er ebensogut heute anfangen.
    Es war noch immer schönes Wetter und windstill. Während er durch die Stadt ging, versuchte er sich zu erinnern, wann es zuletzt einen solchen August gegeben hatte. Aber er konnte den Gedanken nicht verfolgen. Die laufende Ermittlung nahm jeden Moment in Anspruch. Sogar wenn er schlief.
    Er hatte von Bärnsö geträumt. Wieder hatte er Isas Schrei gehört. Als er wach wurde, war er schon halb aus dem Bett, schweißgebadet und mit rasendem Herzklopfen. Danach konnte er lange nicht wieder einschlafen.
    Er blieb zunächst eine Weile am Küchentisch sitzen. Die Morgendämmerung war noch weit entfernt. Er konnte sich nicht erinnern, je zuvor eine derartige Kraftlosigkeit gespürt zu haben. Und seine Mattigkeit kam nicht nur von den weißen Inseln von Zucker, die, wie er es sich vorstellte, in seinen Blutbahnen dahintrieben. Sie entsprang in ebenso starkem Maß dem Gefühl, daß die Zeit ihm davongelaufen war und er hinterherhinkte. Vielleicht war er inzwischen zu alt, obwohl er noch nicht fünfzig war?
    Zugleich fragte er sich, ob er fürchtete, der Verantwortung nicht mehr gewachsen zu sein. Als habe er, ohne sich dessen bewußt zu sein, seinen Zenit überschritten und sei nun im Niedergang begriffen, einem Punkt entgegen, an dem schließlich nur |312| noch die Angst übrig war. Es fehlte nicht viel, und er hätte einen Entschluß gefaßt. Den Entschluß, aufzugeben. Lisa Holgersson zu bitten, einen anderen Ermittlungsleiter zu benennen.
    Fragte sich lediglich, wen. Martinsson oder Hansson boten sich als erste an. Aber Wallander stellte sich vor, daß keiner von beiden es schaffen würde. Und dann blieb nichts anderes übrig, als jemanden von auswärts zu holen. Was nicht gutgehen würde. Es wäre gleichbedeutend mit einer Bankrotterklärung. Unter solchen Umständen würde die Arbeit nie funktionieren.
    Als er sich entschloß, zum Arzt zu gehen, war sein innerster Beweggrund vielleicht, diesen das erlösende Wort sprechen zu lassen. Nämlich Wallander einen so schlechten Allgemeinzustand zu attestieren, daß er sofort krankgeschrieben werden mußte.
    Doch

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