Wallander 07 - Mittsommermord
Eltern.«
»Lassen Sie mich das noch einmal wiederholen«, sagte Wallander. »Ich möchte sicher sein, daß ich es richtig verstanden habe. Außer Malin und Torbjörn wußte nur der Fotograf, an welchem Ort die Bilder gemacht werden sollten?«
»Das ist richtig.«
»Und der Platz wurde irgendwann im Mai oder spätestens im Juni festgelegt?«
»Ursprünglich wollten sie sich oben bei Ale stenar fotografieren lassen«, sagte Lars Skander. »So war es verabredet. Aber dann wurde es geändert.«
Wallander runzelte die Stirn. »Sie wußten also doch, wo sie fotografiert werden sollten?«
»Den ursprünglichen Plan kannte ich. Dann wurde er geändert. Sie fanden, daß Ale stenar so in Mode gekommen war. Jedes Brautpaar fährt heutzutage dorthin.«
Wallander holte tief Luft. »Und wann wurde der Plan geändert?«
»Vor ein paar Wochen.«
»Und den neuen Ort hielten sie geheim?«
»Ja.«
Wallander blickte Lars Skander an, ohne etwas zu sagen. Dann wandte er sich an Ann-Britt Höglund. Er wußte, daß sie beide denselben Gedanken hatten. Vor ein paar Wochen war der Plan geändert worden. Der neue Ort war ihr Geheimnis. Aber diese Wochen hatten ausgereicht, um jemandem zu ermöglichen, sich Zugang zu verschaffen zu dem, was sie für ihr gutgehütetes Geheimnis ansahen.
|436| »Ruf Martinsson an«, sagte Wallander. »Bitte ihn, sich dies von Torbjörn Werners Eltern bestätigen zu lassen.«
Sie stand auf und ging einige Schritte zur Seite, um zu telefonieren. So nah sind wir dem Täter bisher noch nicht gewesen, dachte Wallander.
Dann wandte er sich wieder Lars Skander zu und fuhr fort, seine Fragen zu stellen. »Sie können sich also keinen Außenstehenden denken, der davon wußte, daß die jungen Leute sich unten am Strand fotografieren lassen wollten?«
»Nein.«
Wallander versuchte, alle denkbaren Möglichkeiten zu berücksichtigen. Er wußte noch immer nicht, ob Rolf Haag einen Assistenten gehabt hatte. Es bestand nach wie vor die Möglichkeit, daß trotz allem jemand aus dem engsten Freundeskreis den Ort gewußt hatte.
Im gleichen Augenblick wurde im Obergeschoß des Hauses ein Fenster aufgestoßen.
Eine Frau beugte sich hinaus. Und schrie.
|437| 28
In der Erinnerung sollte Wallander die Frau im Fenster und das, was anschließend geschah, als etwas vollkommen Surreales erscheinen. Es war windstill, einer der wärmsten Augusttage in jenem Jahr, der Garten sehr grün, Ann-Britt Höglund neben einem Birnbaum mit dem Mobiltelefon am Ohr, er selbst auf einem weißen Holzstuhl Lars Skander gegenüber. Sowohl er als auch Ann-Britt hatten das gleiche unmittelbare Gefühl, daß alles schon zu spät war. Die Frau, die das Fenster aufriß, würde sich hinausstürzen. Sie würden sie nicht daran hindern können. Sie würde auf dem Steinbelag vor dem Haus aufschlagen. Vielleicht würde sie überleben, denn sie würde nicht aus großer Höhe fallen. Aber es sah so aus, als wolle sie sich mit dem Kopf voran hinausstürzen.
Plötzlich war ein Moment der Stille eingetreten, als sei die ganze Szene eingefroren worden. Dann hatte Ann-Britt Höglund das Telefon hingeworfen und war zu dem Fenster gelaufen, während Wallander aus vollem Hals etwas gerufen hatte, an das er sich hinterher nicht mehr erinnern konnte. Lars Skander hatte sich langsam erhoben, als begriffe er im Grunde nicht, was da vor sich ging. Die ganze Zeit über schrie die Frau in dem Fenster, die Mutter der toten Braut, und ihr Schmerz hatte den Augusttag zerschnitten, wie man mit einem Diamanten in Glas schneidet.
Sie stimmten überein, als sie später über den Vorfall sprachen. Der Schrei war am quälendsten gewesen.
Ann-Britt war um das Haus herumgelaufen, während Wallander mit ausgestreckten Händen unter dem Fenster stehengeblieben war. Lars Skander war plötzlich an seiner Seite gewesen, fast wie ein Gespenst, kraftlos und zu nichts anderem in der Lage, als den Blick auf die unglückliche Frau zu richten, die im Fenster hing.
Dann war Ann-Britt Höglund hinter der Frau erschienen und hatte sie mit einem einzigen Ruck ins Zimmer zurückgezogen.
|438| Es war auf einmal still geworden.
Die Frau hatte aufgehört zu schreien. Als sie ins Zimmer kamen, saß Ann-Britt Höglund auf dem Fußboden und hielt die Frau umschlungen. Wallander war wieder hinuntergegangen und hatte einen Krankenwagen gerufen. Sie kehrten zur Rückseite des Hauses zurück, nachdem der Krankenwagen gekommen und wieder abgefahren war. Ann-Britt hob ihr Mobiltelefon auf, das im
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