Wallander 07 - Mittsommermord
sehr offen. Er sagte, daß er häufig im Postterminal über sich und seine Familie spräche. Åke Larstam hätte also durchaus Gelegenheit gehabt, die Geschichten über seinen Sohn und den Bootsclub mit anzuhören.«
Wallander saß auf seinem üblichen Platz. »Aber was bedeutet das? Gibt uns das etwas an die Hand, was wir weiterentwickeln können?«
»Danach sieht es nicht aus.«
In einem plötzlichen Ausbruch fegte Wallander alle Papiere weg, die vor ihm auf dem Tisch lagen. »Wir kriegen ihn nicht zu fassen!« rief er. »Wo versteckt sich der Kerl? Wer ist der neunte?«
Alle im Raum sahen ihn erschrocken an. Wallander hob die Arme zu einer Entschuldigungsgeste. Er verließ den Raum und begann im Korridor auf und ab zu gehen. Er trat in die Anmeldung. Ebba war noch immer nicht da. Offenbar hat sie kein sauberes Hemd gefunden, dachte er. Vermutlich ist sie in die Stadt gefahren, um ein neues zu kaufen.
Es war sieben Minuten nach drei. Nur noch knapp neun Stunden waren übrig von diesem Mittwoch, an dem Åke Larstam laut eigener Ankündigung erneut zuschlagen wollte.
Wallander faßte einen Beschluß. Wenn das Sitzungszimmer zu einem provisorischen Hauptquartier geworden war, wollte er den Kern der Fahndungsgruppe jetzt noch weiter verkleinern. Er stellte sich in die Tür und wartete, bis er einen Blick von Ann-Britt Höglund auffangen konnte.
»Bring Martinsson mit«, sagte er. »Wir setzen uns eine Weile zu mir hinein.«
Sie kamen, und Martinsson hatte sogar daran gedacht, einen Stuhl mitzubringen.
»Laßt uns die Situation noch einmal durchgehen«, begann Wallander. »Nur wir drei. Wir haben noch immer zwei Fragen: Wo ist er? Wer ist das von ihm ins Auge gefaßte Opfer? Wenn wir uns vorstellen, daß er eine Minute vor Mitternacht zuschlägt, haben wir noch knapp neun Stunden vor uns. Aber natürlich ist das ein frommer Wunsch. Wir müssen davon ausgehen, daß wir weniger |558| Zeit zur Verfügung haben. Und wir können nicht einmal davon absehen, daß es vielleicht schon zu spät ist. Daß wir nur noch nicht unterrichtet sind über das, was passiert ist.«
Er wußte, daß Martinsson und Ann-Britt Höglund an diese Möglichkeit selbstverständlich auch schon gedacht hatten. Dennoch schien ihnen erst jetzt klarzuwerden, was das eigentlich bedeutete.
»Wo befindet sich Larstam?« wiederholte Wallander. »Wie denkt er? Wir finden ihn in Svedbergs Wohnung. Sein Ausgangspunkt muß gewesen sein, daß wir nie darauf kommen würden, gerade dort nach ihm zu suchen. Aber das haben wir getan. Dann haben wir sein Boot gefunden. Aber wir können nicht sicher sein, ob er vorhatte, es als Zufluchtsort zu benutzen. Vielleicht hat er es in Gedanken schon versenkt. Was tut er als nächstes?«
»Er mißt seine Kräfte mit unseren«, sagte Martinsson. »Wenn er seinen bisherigen Gewohnheiten folgt, hat er ein Opfer und eine Situation gewählt, wo alles sehr schnell geht. Wo das Opfer weder eine Bedrohung noch ein Hindernis sein kann. Also mißt er sich gerade jetzt mit uns. Er weiß, daß wir hinter ihm her sind. Er weiß, daß wir seine weibliche Identität entlarvt haben.«
»Gut«, sagte Wallander. »Das ist eine deutliche Übersicht. Aber jetzt fragt sich, wie er denkt.«
»Er fragt sich, wie wir denken«, sagte Ann-Britt Höglund.
Wallander und seine beiden engsten Mitarbeiter waren jetzt auf einer Wellenlänge.
»Dann bist du Larstam«, sagte er. »Wie denkt er?«
»Er beabsichtigt, das durchzuführen, was er sich vorgenommen hat. Er ist vermutlich sicher, daß wir nicht wissen, wer die neunte Person ist.«
»Warum kann er dessen sicher sein?«
»Weil wir ihn oder sie sonst unter Bewachung gestellt hätten. Und er hat bestimmt kontrolliert, daß wir das nicht getan haben.«
»Das kann uns zu einem weiteren Schluß führen«, schob Martinsson ein. »Er kann seine ganzen Kräfte darauf konzentrieren, das beste Versteck zu wählen. Solange er nun eins benötigt. Er braucht sich um sein beabsichtigtes Opfer keine Sorgen zu machen.«
|559| »Er glaubt, daß wir so denken«, sagte Ann-Britt Höglund. »Und genauso denken wir auch.«
»Also müssen wir anders denken«, sagte Wallander. »Einen weiteren Schritt ins Unbekannte tun.«
»Er wählt einen Ort als Versteck, an dem nach ihm zu suchen uns nie einfallen würde.«
»Dann müßte er den Keller des Polizeipräsidiums wählen«, sagte Martinsson.
Wallander nickte. »Oder zumindest ein symbolisches Polizeipräsidium. Fragt sich nur, wo das liegt.«
Sie
Weitere Kostenlose Bücher