Wallander 07 - Mittsommermord
grübelten über die Antwort nach, fanden aber keine.
»Glaubt er, daß wir sein Aussehen als Mann kennen?«
»Er kann nicht das Risiko eingehen, daß wir es nicht tun.«
Wallander fiel etwas ein. Er wandte sich an Martinsson.
»Hast du daran gedacht, die Schwester in Ludvika nach einem Foto zu fragen?«
»Ja, allerdings. Aber sie behauptete, das einzige Bild, das sie habe, sei aufgenommen, als er vierzehn war. Und außerdem sei es überhaupt nicht ähnlich.«
»Dann bekommen wir auch von der Seite keine Hilfe.«
»Ich bin mit allen zentralen Behörden in Kontakt gewesen, wo es Fotos geben soll. Aber dieser Mann scheint weder einen Führerschein noch einen Personalausweis oder dergleichen zu besitzen.«
»Das tut er bestimmt«, sagte Wallander. »Wenn wir nur wüßten, welchen Nachnamen er Louise gegeben hat. Dann würdest du Fotos finden, soviel du willst.«
»Aber er muß doch ohne die Perücke Auto gefahren sein? Er muß doch mit der Möglichkeit gerechnet haben, kontrolliert zu werden? Was hat er denn dann vorgezeigt?«
Wallander fiel plötzlich ein Vorfall ein, der mehrere Jahre zurücklag. Doch erst jetzt verband er ihn mit Svedberg und Åke Larstam.
»Es war vor Ann-Britts Zeit«, sagte er. »Aber Martinsson, du müßtest dich erinnern. Damals verschwanden hier im Haus Paßunterlagen. Sie wurden aus einem Safe entwendet. Es gab damals eine interne Ermittlung, die nie zu einem Ergebnis führte. Aber es |560| war klar, daß jemand hier aus dem Haus den Diebstahl begangen haben mußte.«
»Ja, ich erinnere mich. Es war eine furchtbar unschöne Stimmung. Alle belauerten sich gegenseitig.«
»Und ich erinnere mich an noch etwas«, fügte Wallander hinzu. »Bei einer Gelegenheit sagte Rydberg zu mir, er sei sicher, Svedberg habe sie genommen. Aber ich habe nie verstanden, warum er so überzeugt war, daß ausgerechnet Svedberg es gewesen sein sollte.«
»Du meinst also, Svedberg hätte Louise Ausweispapiere beschafft?«
»Oder Åke Larstam. Oder beiden.«
Schweigend dachten sie eine Weile über die Ereignisse nach, die sich vor so vielen Jahren abgespielt hatten.
Wallander wandte sich danach tastend wieder ihrem Hauptthema zu.
»Die Frage ist also, wo er sich versteckt. Darauf suchen wir eine Antwort. Wo befindet sich Åke Larstam in diesem Augenblick?«
Keiner hatte eine Antwort. Es gab keinen Anhaltspunkt. Nur Vermutungen in verschiedene, miteinander unvereinbare Richtungen.
Wallander merkte, wie die Panik sich näherte. Die Zeit lief unerbittlich ab.
»Reden wir von der Person, auf die er es abgesehen hat«, sagte Wallander. »Wer ist es? Bisher hat Larstam sechs junge Menschen getötet, einen etwas älteren Fotografen und einen Polizeibeamten in mittleren Jahren. Von den beiden letzten können wir absehen. Bleiben sechs junge Menschen. Bei zwei verschiedenen Gelegenheiten. In zwei Gruppen.«
»Drei«, wandte Ann-Britt ein. »Isa Edengren hat er später getötet. Auf einer Insel im Meer.«
»Das bedeutet, daß er Dinge zu Ende führt«, meinte Wallander. »Was er sich vorgenommen hat, muß zu Ende gebracht werden. Um jeden Preis. Da stellt sich die Frage, ob in dem, was bisher geschehen ist, etwas Unvollendetes steckt. Oder fängt er jetzt etwas Neues an?«
|561| Bevor jemand antworten konnte, klopfte es an der Tür. Es war Ebba. Mit einem Hemd auf einem Kleiderbügel.
»Tut mir leid, daß es so lange gedauert hat«, sagte sie. »Aber ich hatte Probleme, deine Tür aufzukriegen.«
Wallander wußte, daß sein Türschloß in Ordnung war. Ebba mußte es mit dem falschen Schlüssel versucht haben. Er nahm das Hemd und bedankte sich bei ihr. Dann entschuldigte er sich und verschwand auf die Toilette, um das Hemd zu wechseln.
»Wenn man zur Hinrichtung geführt wird, soll man wenigstens ein sauberes Hemd anhaben«, sagte er, als er zurückkam.
Das schmutzige Hemd stopfte er in eine seiner Schreibtischschubladen.
»Wir finden nichts Unvollendetes«, sagte Martinsson. »Wir sind sicher, daß außer Isa Edengren niemand an dem Fest im Reservat teilnehmen sollte. Und mehr als zwei Personen dürften auch nicht zusammen Hochzeit feiern.«
»Also fängt er etwas Neues an«, sagte Wallander. »Die denkbar schlechteste Alternative. Das bedeutet, wir haben nichts, wonach wir gehen können. Absolut nichts.«
Es wurde still. Was gab es eigentlich noch mehr zu sagen? Eins noch, dachte Wallander. In der Wahl zwischen zwei Unmöglichkeiten müssen wir uns für die weniger unmögliche entscheiden.
»Wo
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