Wallander 07 - Mittsommermord
er sich aufhält, bekommen wir nie heraus. Unsere einzige Möglichkeit besteht darin, daß wir versuchen, das Opfer einzukreisen. Bevor er wieder zuschlägt. Von jetzt an konzentrieren wir uns ausschließlich darauf. Wenn ihr einverstanden seid.«
Wallander wußte, wie heikel diese Entscheidung war.
»Hat das eigentlich irgendeinen Sinn?« fragte Ann-Britt. »Wir finden weder ihn noch das Opfer, ganz gleich, was wir unternehmen.«
»Wir können auch nicht aufgeben«, erwiderte Wallander.
Sie fingen wieder von vorn an. Es war schon nach vier. Wallander hatte Magenkrämpfe. Vor Unruhe und Hunger. Er war so erschöpft, daß ihm dies bereits als sein natürlicher Zustand vorkam. Bei den beiden anderen ahnte er die gleiche verzweifelte Müdigkeit.
|562| »Stichwörter«, sagte er. »Fröhliche Menschen. Glückliche Menschen. Was noch?«
»Junge Menschen«, sagte Martinsson.
»Verkleidet«, ergänzte Ann-Britt.
»Er wiederholt sich nicht«, sagte Wallander. »Aber natürlich können wir nicht sicher sein. Nur wahrscheinlich ist es nicht. Also fragen wir uns: Wo finden wir heute junge, fröhliche und verkleidete Menschen? Die nicht heiraten. Und die vielleicht auch kein Fest in einem Naturreservat geplant haben.«
»Könnte es eine Maskerade sein?« schlug Martinsson vor.
»Die Zeitung«, fiel es Wallander plötzlich ein. »Was ist heute los in Ystad?«
Bevor er zu Ende gesprochen hatte, war Martinsson schon verschwunden.
»Wollen wir nicht wieder hinübergehen?« fragte Ann-Britt.
»Noch nicht. Gleich. Nur noch einen Schritt weiter. Irgend etwas, was wir auf den Tisch legen können. Auch wenn sich hinterher erweisen sollte, daß es eine blinde Spur war.«
Martinsson stürmte mit der
Ystads Allehanda
herein. Sie breiteten sie auf dem Schreibtisch aus und beugten sich darüber. Wallander fiel sofort eine Modenschau in Skurup ins Auge.
»Mannequins sind doch verkleidet«, meinte er. »Und man kann wohl annehmen, daß sie auch bei guter Laune sind. Wenn sie Kleider vorführen sollen.«
»Das ist doch erst nächsten Mittwoch«, sagte Ann-Britt.
»Da hast du falsch geguckt.«
Sie blätterten weiter. Und entdeckten es fast gleichzeitig. Am selben Abend sollte im Hotel Continental eine Veranstaltung der Heimatvereinigung Freunde Ystads stattfinden. Die Mitglieder, hieß es in der Ankündigung, sollten in Kleidern des neunzehnten Jahrhunderts erscheinen.
Wallander war skeptisch. Ohne sagen zu können, warum. Aber Martinsson und Ann-Britt Höglund teilten seine Unsicherheit nicht.
»Es steht bestimmt schon seit langem fest«, meinte Martinsson. »Er kann also in aller Ruhe seine Vorbereitungen getroffen haben.«
|563| »Leute, die in einer solchen Vereinigung Mitglied sind, dürften kaum besonders jung sein«, wandte Wallander ein.
»Das Publikum da ist meistens sehr gemischt«, sagte Ann-Britt. »Das ist jedenfalls mein Eindruck.«
Wallander überwand seine Zweifel nicht. Aber sie hatten nichts mehr zu verlieren. Das Essen sollte um halb acht anfangen. Sie hatten also noch ein paar Stunden Zeit.
Sicherheitshalber blätterten sie die Zeitung noch einmal durch. Gab es eine Alternative? Sie fanden nichts.
»Es ist deine Entscheidung«, sagte Martinsson. »Machen wir es, oder machen wir es nicht?«
»Es ist nicht meine Entscheidung«, sagte Wallander. »Es ist unsere. Und ihr habt recht. Was haben wir eigentlich für eine Alternative?«
Sie kehrten zum Sitzungszimmer zurück. Jemand holte Thurnberg. Wallander wollte auch Lisa Holgersson dabeihaben. Während sie warteten, versuchte Martinsson, einen der Veranstalter ausfindig zu machen.
»Das Hotel muß wissen, wer die Bestellung gemacht hat«, sagte Wallander. »Ruf da an.«
Er merkte, daß er angefangen hatte, laut zu sprechen, obwohl Martinsson unmittelbar neben ihm stand. Die Müdigkeit und die Anspannung putschten ihn auf.
Als Thurnberg und Lisa Holgersson den Raum betraten, unterstrich Wallander den Ernst der Situation, indem er die Tür schloß. Er erklärte, wie sie zu dem Schluß gekommen waren, daß Åke Larstam möglicherweise bei dem Fest zuschlagen könnte, das in einigen Stunden im Hotel Continental stattfinden sollte. Er betonte immer wieder das Moment der Unsicherheit.
Es konnte ein Irrtum sein, eine weitere Sackgasse. Aber sie hatten nichts anderes. Die Alternative wären Passivität und Warten. Er hatte damit gerechnet, daß vor allem Thurnberg Einwände erheben, sich vielleicht sogar völlig abweisend zeigen würde. Doch zu Wallanders
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