Wallander 08 - Die Brandmauer
Abgesehen von der Adresse und dem Buchstaben C gab es nichts als einen Fleck, der die halbe Adresse bedeckte. Als habe jemand beim Schreiben der Karte eine Apfelsine gegessen. Oder beim Lesen. Wallander |299| versuchte die Buchstaben L und D mit anderen Buchstaben zu kombinieren, aber vergeblich. Er studierte die Vorderseite noch einmal. Auf dem Bild waren Menschen zu erkennen. Als kleine Punkte. Aber es war unmöglich, ihre Hautfarbe zu erkennen. Wallander dachte an die verunglückte und chaotische Reise in die Karibik, die er vor ein paar Jahren gemacht hatte. Die Palmen waren da. Doch die Stadt im Hintergrund war ihm fremd.
Dann der Buchstabe. Das gleiche einsame C wie in Falks Logbuch. Ein Name. Tynnes Falk hatte gewußt, wer der Absender war, und die Karte aufgehoben. In diesem leeren Raum, wo sich außer dem Computer nur die Zeichnung einer Transformatorstation befand, hatte Falk eine Ansichtskarte aufbewahrt. Einen Gruß von Curt oder Conrad. Wallander steckte die Karte ein. Dann schaute er unter dem Computer nach. Nichts. Er hob das Telefon an. Leer.
Er blieb noch ein paar Minuten sitzen, bevor er das Licht löschte und ging.
Als er in die Mariagata zurückkam, war er sehr müde. Dennoch konnte er es nicht unterlassen, das Vergrößerungsglas hervorzusuchen, sich an den Küchentisch zu setzen und die Karte noch einmal genau zu studieren. Aber er entdeckte nichts Neues.
Kurz vor zwei ging er ins Bett.
Er schlief sofort ein.
Am Montag morgen machte Wallander nur einen kurzen Besuch im Polizeipräsidium. Er gab Martinsson den Schlüsselbund und berichtete von dem Wagen, der in der Nacht beobachtet worden war. Wallander erwähnte die Ansichtskarte nicht. Nicht weil er sie verheimlichen wollte, sondern weil er es eilig hatte. Er wollte sich nicht in unnötige Diskussionen verwickeln lassen. Bevor er das Präsidium verließ, führte er zwei Telefonate, eins davon mit Siv Eriksson. Er fragte sie, ob die Zahl Zwanzig ihr etwas sage. Außerdem wollte er wissen, ob Falk bei irgendeiner Gelegenheit eine Person erwähnt habe, deren Nachname oder Vorname mit C anfing. Sie konnte darauf spontan keine Antwort geben. Aber sie versprach, darüber nachzudenken. Danach hatte er von der Ansichtskarte erzählt, die er am Runnerströms Torg gefunden hatte, die aber in die Apelbergsgata adressiert war. Ihre Verwunderung |300| war so groß, daß er deren Echtheit nicht bezweifelte. Sie hatte Falk geglaubt, als er ihr gesagt hatte, seine Post ginge an ihre Adresse. Aber einige, unter anderem die Person, die sich nur »C« nannte, hatten in die Apelbergsgata geschrieben.
Wallander erzählte, was die Ansichtskarte darstellte. Aber weder das Motiv noch die beiden Buchstaben des Poststempels sagten ihr etwas.
»Er hatte vielleicht noch andere Postadressen«, schlug sie vor.
Wallander spürte einen Anflug von Enttäuschung in ihrer Stimme, als habe Falk sie betrogen.
»Wir werden das untersuchen«, sagte er. »Vielleicht haben Sie recht.«
Sie hatte auch die Liste nicht vergessen, um die Wallander sie gebeten hatte. Sie wollte sie im Laufe des Tages im Präsidium vorbeibringen.
Nachdem er das Gespräch beendet hatte, merkte Wallander, daß es ihn froh gemacht hatte, ihre Stimme zu hören. Doch er verlor sich nicht in Träumereien, sondern führte sogleich das nächste Gespräch, und zwar mit Marianne Falk. Er teilte ihr nur kurz mit, daß er sie im Lauf der nächsten halben Stunde besuchen werde.
Dann blätterte er flüchtig die Papiere durch, die sich auf seinem Schreibtisch angesammelt hatten. Vieles davon hätte er sofort erledigen müssen. Aber er hatte keine Zeit. Der Berg würde weiter wachsen. Schon vor halb neun war er gegangen, ohne zu hinterlassen, wohin er wollte.
In den nächsten Stunden saß er auf Marianne Falks Sofa und sprach von dem Mann, mit dem sie verheiratet gewesen war. Wallander fing ganz von vorn an. Wann waren sie sich begegnet? Und wo? Wie war er damals? Marianne erwies sich als eine Frau mit einem guten Gedächtnis. Nur ganz selten kam sie ins Stocken oder mußte nach einer Antwort suchen. Wallander hatte daran gedacht, einen Kollegblock mitzunehmen, aber er machte nur wenige Notizen. Kaum etwas von dem, was Marianne Falk erzählte, würde weitere Nachforschungen erforderlich machen. Noch befand er sich in der ersten Phase, in der er versuchte, einen Überblick über Falks persönliche Geschichte zu gewinnen.
|301| Marianne Falk zufolge war er auf einem Hof in der Nähe von Linköping
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