Wallander 08 - Die Brandmauer
ansehen, daß er sogleich den Ernst begriff. »Das gibt uns doch immerhin einen Einstieg«, sagte er, als Wallander geendet hatte.
»Mehr als das«, sagte Wallander. »Zum erstenmal kommt so etwas wie eine Logik zum Vorschein.«
»Aber gleichzeitig liegt noch vieles im Dunkeln«, sagte Martinsson nachdenklich. »Wir haben noch immer keine sinnvolle Erklärung dafür, warum das Relais auf Falks Bahre gelandet ist. Und warum seine Leiche entwendet wurde, wissen wir auch nicht. Daß seine Schreibfinger abgeschnitten wurden, kann ganz einfach nicht das Hauptmotiv gewesen sein.«
»Ich will versuchen, Licht in dieses Dunkel zu bringen«, sagte Wallander. »Ich gehe jetzt und mache eine Zusammenfassung. Aber laß sofort von dir hören, wenn etwas Neues auftaucht.«
»Wir machen weiter bis zehn«, sagte Robert Modin plötzlich. »Dann muß ich schlafen.«
Als Wallander auf die Straße trat, war er einen Moment unschlüssig. Würde er wirklich noch ein paar Stunden weitermachen können? Oder sollte er nach Hause fahren?
Er beschloß, beides miteinander zu verbinden. Diese Arbeit |378| konnte er im Moment genausogut zu Hause am Küchentisch erledigen. Er stieg in den Wagen und fuhr nach Hause.
Nach langem Suchen fand er in der hintersten Ecke seines Küchenschranks eine Tüte Tomatensuppe. Er befolgte die Kochanleitung genau. Aber die Suppe schmeckte nach nichts. Nach allzuviel Tabasco wurde sie zu scharf. Er zwang sich, die Hälfte zu essen, und goß den Rest weg. Dann machte er sich einen starken Kaffee und breitete seine Papiere auf dem Küchentisch aus. Er begann alle Ereignisse noch einmal durchzugehen, die sich irgendwie berührten. Er drehte jeden Stein um, ging im Gelände vor und zurück und versuchte, seiner Intuition zu folgen. Wie ein unsichtbares Raster lag Ann-Britts Theorie über seinen Gedanken. Niemand rief an, niemand störte ihn. Um elf Uhr stand er auf und streckte sich.
Dunkle Stellen bleiben, dachte er. Trotzdem dürfte Ann-Britt etwas aufgespürt haben, was uns weiterbringen kann.
Kurz vor Mitternacht ging er ins Bett. Bald war er eingeschlafen.
Um Punkt zehn Uhr hatte Robert Modin gesagt, daß es jetzt reiche. Sie hatten seine Computer zusammengepackt. Martinsson fuhr ihn selbst nach Löderup. Sie verabredeten, daß jemand ihn am folgenden Morgen um acht Uhr abholen sollte. Martinsson fuhr auf direktem Weg nach Hause. Im Kühlschrank wartete ein Stück Torte auf ihn.
Aber Robert Modin ging nicht ins Bett. Er wußte, daß er das, was er vorhatte, nicht tun sollte. Die Erinnerung daran, was passiert war, als es ihm gelungen war, die Firewalls des Pentagons zu überwinden, war noch sehr lebendig. Aber die Versuchung war zu groß. Außerdem war er schlauer geworden. Diesmal würde er vorsichtiger sein. Nie vergessen, nach seinen Angriffen die Spuren hinter sich auszulöschen.
Seine Eltern waren zu Bett gegangen. Schweigen herrschte in Löderup. Martinsson hatte nicht mitbekommen, daß Modin das Material aus Falks Rechner kopiert hatte, das er hatte öffnen können. Jetzt verknüpfte er seine beiden Rechner wieder und ging das Material noch einmal durch. Er suchte weitere Öffnungen. Risse in den elektronischen Brandmauern.
*
|379| Am Abend war eine Regenfront über Luanda hinweggezogen.
Carter hatte die Zeit mit der Lektüre eines Berichts verbracht, der sich kritisch mit der Vorgehensweise des Internationalen Währungsfonds in einigen ostafrikanischen Ländern auseinandersetzte. Die Kritik war scharf und gut formuliert. Carter hätte es selbst kaum besser schreiben können. Gleichzeitig war er aufs neue in seiner Überzeugung bestärkt worden, daß es keinen Ausweg mehr gab. Bei dem gegenwärtigen Finanzsystem in der Welt würde nichts ernstlich verändert werden können.
Nachdem er den Bericht zur Seite gelegt hatte, stellte er sich ans Fenster und schaute auf die Blitze, die über den Himmel zuckten. Die Nachtwachen hockten unter ihrem provisorischen Regenschutz im Dunkeln.
Er wollte gerade ins Bett gehen, als er einer Eingebung folgte und noch einmal ins Arbeitszimmer trat. Die Klimaanlage rauschte.
Sofort erkannte er auf seinem Bildschirm, daß jemand im Begriff war, sich in seinen Server einzuloggen. Aber etwas hatte sich verändert. Er setzte sich vor den Bildschirm. Nach einer Weile erkannte er, was es war.
Jemand war plötzlich unvorsichtig geworden.
Carter wischte sich die Hände an einem Taschentuch ab.
Dann begann er, die Person, die sein Geheimnis zu enthüllen drohte,
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