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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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und zum Teil quälender Erinnerungen, die er immer noch |398| nicht ganz verarbeitet hatte. Sie hörte aufmerksam zu, ernst, aber auch aufmunternd.
    »Und danach?« fragte sie, als er verstummt war. »Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie schon seit vielen Jahren geschieden.«
    »Während langer Perioden ist es ein tristes Leben gewesen. Es gab einmal eine Frau in Lettland, in Riga, Baiba hieß sie. Ich hatte gehofft, es könnte etwas daraus werden, und ich glaube, sie hat diese Hoffnung eine Zeitlang geteilt. Aber dann wurde doch nichts daraus.«
    »Warum nicht?«
    »Sie wollte in Riga bleiben. Und ich wollte, daß sie herkam. Ich hatte große Pläne geschmiedet. Ein Haus auf dem Land. Ein Hund. Ein anderes Leben.«
    »Vielleicht waren es zu große Pläne«, sagte sie nachdenklich. »Das rächt sich.«
    Wallander bekam das Gefühl, zuviel gesagt und sich ausgeliefert zu haben. Vielleicht auch Mona und Baiba. Aber die Frau vor ihm flößte ihm Vertrauen ein.
    Dann erzählte sie von sich. Eine Geschichte, die sich von der Wallanders eigentlich kaum unterschied. In ihrem Fall waren es zwei gescheiterte Ehen. Aus jeder Ehe hatte sie ein Kind. Ohne daß sie es offen aussprach, ahnte Wallander, daß ihr erster Mann sie geschlagen hatte. Vielleicht nicht oft, aber oft genug, daß es am Ende unerträglich wurde. Ihr zweiter Mann war Argentinier. Sie erzählte mit viel Verständnis, aber auch mit Selbstironie, wie die Leidenschaft sie zunächst auf den richtigen und später auf Abwege geführt habe.
    »Er verschwand vor zwei Jahren«, schloß sie. »Er meldete sich aus Barcelona, wo er ohne Geld festsaß. Ich half ihm, damit er wenigstens nach Argentinien zurückkonnte. Jetzt habe ich seit einem Jahr nichts von ihm gehört. Seine Tochter fragt sich natürlich, was mit ihm ist.«
    »Wie alt sind denn Ihre Kinder?«
    »Alexandra ist neunzehn, Tobias einundzwanzig.«
    Um halb zwölf zahlten sie. Wallander wollte sie einladen. Aber sie bestand darauf, die Rechnung zu teilen.
    »Morgen ist Freitag«, sagte Wallander, als sie auf der Straße standen.
    |399| »Ich war tatsächlich noch nie in Ystad«, sagte sie.
    Wallander hatte fragen wollen, ob er sie vielleicht anrufen dürfe. Jetzt änderte sich alles. Er wußte nicht genau, was er eigentlich fühlte. Aber sie hatte bisher offenbar keine Fehler an ihm festgestellt. Das war fürs erste mehr als genug.
    »Ich habe ein Auto«, sagte sie. »Oder ich nehme den Zug. Wenn Sie Zeit haben?«
    »Ich stecke mitten in einer komplizierten Mordermittlung«, erwiderte er. »Aber auch Kriminalbeamte müssen einmal ausspannen.«
    Sie wohnte in einem von Malmös Villenvororten, Richtung Jägersro. Wallander bot ihr an, sie nach Hause zu fahren. Aber sie wollte einen Spaziergang machen und anschließend ein Taxi nehmen.
    »Ich liebe lange Spaziergänge«, sagte sie. »Aber Laufen hasse ich.«
    »Ich auch«, meinte Wallander.
    Doch über den Grund dafür, seinen Diabetes, sagte er nichts.
    Sie gaben sich die Hand und verabschiedeten sich.
    »Es war schön, Sie zu treffen«, sagte sie.
    »Ja«, sagte Wallander. »Das finde ich auch.«
    Er sah sie um die Ecke des Hotels verschwinden. Dann ging er zu seinem Wagen und fuhr nach Ystad. Unterwegs hielt er an und suchte im Handschuhfach nach einer Kassette. Er fand eine mit Jussi Björling. Die Musik erfüllte das Wageninnere, als er weiterfuhr. Als er an der Abzweigung nach Stjärnsund vorüberfuhr, wo Sten Widén seinen Reiterhof hatte, kam es ihm vor, als sei der Neid, den er vorher empfunden hatte, nicht mehr ganz so stark.
    Um halb eins hatte er den Wagen abgestellt. In seiner Wohnung setzte er sich aufs Sofa. Er war schon lange nicht mehr so froh gewesen wie an diesem Abend. Das letztemal war gewesen, als ihm klargeworden war, daß Baiba seine Gefühle erwiderte.
    Als er schließlich ins Bett ging, schlief er ohne einen Gedanken an die Ermittlung ein.
    Sie konnte warten.
     
    |400| Am Freitag morgen kam Wallander mit frischer Energie geladen ins Präsidium. Als erstes zog er die Bewachung in der Apelbergsgata ab. Dagegen wollte er das Haus am Runnerströms Torg weiterhin überwachen lassen. Dann ging er hinüber zu Martinssons Zimmer. Dort war niemand. Auch Hansson war noch nicht gekommen. Im Korridor stoppte er Ann-Britt. Sie sah kaputter und mürrischer aus als seit langem. Er dachte, daß er ihr ein paar aufmunternde Worte sagen sollte, doch ihm fiel nichts ein, was nicht allzuweit hergeholt klang.
    »Das Adreßbuch«, sagte sie. »Aus Sonja

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