Wallander 08 - Die Brandmauer
doch nicht schlechter sein als ein anderer«, sagte sie. »Man ist doch schließlich erwachsen.«
Dann sagte sie noch etwas. Was Wallander erstaunte.
Sie fragte ihn, was er am Abend vorhabe. Ob sie sich nicht irgendwo in Malmö treffen wollten.
Ich kann nicht, dachte Wallander. Ich habe viel zuviel zu tun. Das hier geht mir viel zu schnell.
Dann sagte er zu.
Sie verabredeten sich um halb neun in der Bar des Savoy.
»Keine Blumen«, sagte sie und lachte. »Ich glaube, wir erkennen uns auch so.«
Das Gespräch war zu Ende.
Wallander fragte sich, worauf er sich eingelassen hatte. Gleichzeitig spürte er die Spannung.
Es war halb sieben geworden. Jetzt hatte er es eilig.
|394| 30
Um drei Minuten vor halb neun parkte Wallander seinen Wagen vor dem Hotel Savoy in Malmö. Er war viel zu schnell gefahren. Allzulange hatte er sich nicht entscheiden können, was er anziehen sollte. Vielleicht erwartet sie einen Mann in Uniform, hatte er gedacht. Ungefähr so, wie in längst entschwundenen Zeiten schmucke Kadetten beliebte Kavaliere waren. Aber natürlich zog er nicht die Uniform an. Ein sauberes, aber zerknittertes Hemd holte er direkt aus dem Korb mit frischer Wäsche. Endlos suchte er zwischen seinen Schlipsen und nahm schließlich gar keinen. Aber die ungeputzten Schuhe verlangten nach einem Eingriff. In der Summe bedeutete dies alles, daß er viel zu spät loskam.
Außerdem hatte Hansson im unpassendsten Augenblick angerufen und gefragt, wo Nyberg sei. Wallander war nicht schlau daraus geworden, warum Hansson ihn unbedingt erreichen mußte. Er hatte so einsilbig geantwortet, daß Hansson ihn schließlich gefragt hatte, ob er es eilig habe. Darauf hatte er mit Ja geantwortet und so geheimnisvoll getan, daß Hansson gar nicht erst nach dem Grund fragte. Als er endlich fertig und zur Abfahrt bereit war, hatte das Telefon erneut geklingelt. Mit der Hand auf der Türklinke hatte er zuerst überlegt, nicht mehr abzunehmen, es dann aber doch getan. Es war Linda. Sie hatte gerade wenig zu tun in ihrem Restaurant, ihr Chef war in Urlaub, und so hatte sie ausnahmsweise Zeit und Gelegenheit, ihn anzurufen. Wallander war in Versuchung, ihr zu erzählen, was er vorhatte. Immerhin hatte Linda ihn auf die Idee gebracht, von der er zunächst absolut nichts hatte wissen wollen. Sie hatte sogleich gemerkt, daß er in Eile war. Wallander wußte aus Erfahrung, daß es unmöglich war, ihr etwas vorzumachen. Trotzdem sagte er so entschieden, wie es ihm möglich war, daß er unverzüglich in einer dienstlichen Angelegenheit fortmüsse. Sie verabredeten, daß sie ihn am nächsten Abend anrufen |395| würde. Als Wallander endlich im Wagen saß und Ystad hinter sich gelassen hatte, sah er, daß die Benzinanzeige rot aufleuchtete. Er vermutete, daß das Benzin bis Malmö reichen würde, wollte aber nicht riskieren, auf freier Strecke liegenzubleiben. Er fuhr zu einer Tankstelle außerhalb von Skurup und bezweifelte, daß er es noch schaffen würde, pünktlich zu sein. Warum es ihm so wichtig war, wußte er selbst nicht genau. Doch er erinnerte sich noch immer daran, wie Mona einmal, als sie sich gerade erst kennengelernt hatten, zehn Minuten auf ihn gewartet hatte und dann gegangen war.
Jetzt war er jedoch in Malmö angekommen. Er betrachtete sein Gesicht im Rückspiegel. Er war magerer geworden. Die Konturen seines Gesichts traten deutlicher hervor. Er schloß die Augen und atmete tief durch. Er verbannte alle Erwartungen. Auch wenn er selbst nicht enttäuscht wäre, würde sie es sicher sein. Sie würden sich dort in der Bar treffen, sich eine Weile unterhalten, und dann wäre es vorbei. Vor Mitternacht würde er in seinem Bett in der Mariagata liegen. Am nächsten Tag würde er sie vergessen haben. Und seine Vermutung wäre bestätigt, daß er einer Frau, die zu ihm paßte, nicht durch eine Kontaktanzeige begegnen würde.
Er war also pünktlich in Malmö angekommen. Aber jetzt blieb er bis zwanzig vor neun im Wagen sitzen. Dann stieg er aus, atmete noch einmal tief durch und überquerte die Straße.
Sie entdeckten einander gleichzeitig. Sie saß an einem Tisch ganz hinten in der Ecke. Abgesehen von ein paar Männern, die an der Theke Bier tranken, waren nicht viele Gäste da. Und sie war die einzige Frau im Lokal, die allein war. Wallander fing ihren Blick auf. Sie lächelte und stand auf. Wallander dachte, daß sie sehr groß war. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm. Der Rock endete unmittelbar über den Knien. Sie hatte schöne
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