Wallander 08 - Die Brandmauer
weich sein, wenn es darauf ankam, jemanden in einem Verhör unter Druck zu setzen. Außerdem war ihm Unrecht zugefügt worden. Und Lisa Holgersson hatte offen ihr Mißtrauen gezeigt. Das verzieh er ihr nicht. Damit die Zeit verging, rief er Tynnes Falks Frau an. Sie meldete sich fast sofort.
»Mein Name ist Wallander. Spreche ich mit Marianne Falk?«
»Gut, daß Sie anrufen. Ich habe schon darauf gewartet.«
Ihre Stimme klang hell und angenehm. Wallander fühlte sich an Monas Stimme erinnert. Etwas Entferntes, vielleicht Wehmütiges durchzog ihn.
»Hat Doktor Enander mit Ihnen Kontakt aufgenommen?« fragte sie.
»Ich habe mit ihm gesprochen.«
»Sie wissen also, daß Tynnes nicht an einem Herzinfarkt gestorben ist?«´
»Das ist vielleicht eine riskante Schlußfolgerung.«
»Warum? Er ist überfallen worden.«
|135| Sie klang sehr bestimmt. Wallander spürte, wie sein Interesse plötzlich geweckt wurde. »Das klingt fast, als seien Sie gar nicht erstaunt.«
»Worüber?«
»Daß es ein solches Ende mit ihm nahm. Daß er überfallen worden ist.«
»Das bin ich auch nicht. Tynnes hatte viele Feinde.«
Wallander zog einen Notizblock und einen Bleistift an sich. Die Brille hatte er schon auf. »Was für Feinde?«
»Das weiß ich nicht. Aber er hat sich immer Sorgen gemacht.«
Wallander suchte in seiner Erinnerung nach etwas, was er in Martinssons Bericht gelesen hatte. »Er hatte eine Computerberatungsfirma, nicht wahr?«
»Ja.«
»Das hört sich nicht nach einer besonders gefährlichen Arbeit an.«
»Es kommt darauf an, wen man berät.«
»Und wen hat er beraten?«
»Das weiß ich nicht.«
»Sie wissen es nicht?«
»Nein.«
»Trotzdem glauben Sie, daß er überfallen worden ist?«
»Ich kannte meinen Mann. Auch wenn wir nicht zusammen leben konnten. Im letzten Jahr war er beunruhigt.«
»Aber er hat nie gesagt, warum?«
»Tynnes redete nur, wenn es unbedingt nötig war.«
»Sie sagten eben, er habe Feinde gehabt.«
»Das waren seine eigenen Worte.«
»Was für Feinde?«
Ihre Antwort kam zögernd. »Ich weiß, daß es sich merkwürdig anhört«, sagte sie. »Aber ich kann es nicht deutlicher ausdrücken. Obwohl wir so lange zusammengelebt und zwei Kinder miteinander haben.«
»Man benutzt das Wort ›Feind‹ nicht ohne besonderen Grund.«
»Tynnes ist viel gereist. In der ganzen Welt herum. Das hat er schon immer getan. Welche Menschen er auf diesen Reisen getroffen hat, kann ich nicht sagen. Aber manchmal kam er nach |136| Hause und war heiter. Bei anderen Gelegenheiten wirkte er beunruhigt, wenn ich ihn in Sturup abholte.«
»Aber er muß doch irgend etwas darüber hinaus gesagt haben? Warum er Feinde hatte? Wer sie waren?«
»Er war verschwiegen. Aber ich sah sie ihm an. Seine Unruhe.«
Wallander bekam den Verdacht, die Frau, mit der er sprach, könnte überspannt sein.
»Gab es noch etwas, was Sie mir sagen wollten?«
»Es war kein Herzinfarkt. Ich will, daß die Polizei aufklärt, was eigentlich passiert ist.«
Wallander überlegte, bevor er antwortete. »Ich habe mir notiert, was Sie gesagt haben. Wir melden uns bei Ihnen, falls es notwendig wird.«
»Ich erwarte, daß Sie herausfinden, was passiert ist. Tynnes und ich waren geschieden. Aber ich habe ihn immer noch geliebt.«
Als er aufgelegt hatte, fragte Wallander sich gedankenverloren, ob Mona ihn vielleicht auch immer noch liebte. Obwohl sie jetzt mit einem anderen Mann verheiratet war. Er zweifelte stark daran. Dagegen hätte er gern gewußt, ob sie ihn je geliebt hatte. Irritiert wischte er die Gedanken beiseite und rekapitulierte noch einmal das, was Marianne Falk gesagt hatte. Ihre Besorgnis hatte echt gewirkt. Aber was sie gesagt hatte, war nicht gerade erhellend. Wer Tynnes Falk eigentlich gewesen war, blieb weiterhin ausgesprochen unklar. Er suchte Martinssons Bericht heraus und wählte dann die Nummer der Pathologie in Lund. Während der ganzen Zeit lauschte er auf Ann-Britts Schritte auf dem Korridor. Was ihn eigentlich interessierte, war das Gespräch zwischen Ann-Britt und Eva Persson. Tynnes Falk war an einem Herzinfarkt gestorben. Daran änderte auch eine besorgte Frau nichts, die sich ihren toten Exmann von eingebildeten Feinden umgeben vorstellte. Er sprach noch einmal mit dem Arzt, der Tynnes Falk obduziert hatte, und erzählte ihm von dem Gespräch mit Falks Frau.
»Es ist nicht ungewöhnlich, daß Herzinfarkte aus dem Nichts kommen«, sagte der Pathologe. »Der Mann, der zu uns gebracht wurde, ist genau
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