Wallander 08 - Die Brandmauer
schwer zu sagen.«
»Haben sie keinen Kontakt?«
»Es hat nicht den Anschein.«
Wallander überlegte. »Wir finden keinen Grund«, sagte er. »Wir müssen wissen, was dahintersteckt. Entweder irre ich mich. Daß junge Menschen heutzutage, und nicht nur Jungen, wirklich finden, Mord sei nichts Außergewöhnliches. Dann gebe ich mich geschlagen. Aber ganz soweit bin ich noch nicht. Irgend etwas muß sie einfach zu der Tat getrieben haben.«
»Wir sollten den Fall vielleicht als Dreiecksdrama betrachten«, sagte Ann-Britt.
»Wie meinst du das?«
»Vielleicht wäre es nicht verkehrt, Lundberg ein bißchen genauer unter die Lupe zu nehmen?«
»Warum? Sie konnten doch nicht wissen, welcher Fahrer sie abholen würde.«
»Damit hast du auch wieder recht.«
Wallander merkte, daß sie über etwas nachsann. Er wartete.
»Aber wenn man es nun andersherum betrachtet«, sagte sie nachdenklich. »Wenn es trotz allem etwas Impulsives war. Sie hatten ein Taxi bestellt. Wohin sie fahren wollten, können wir vielleicht noch klären. Aber nimm einmal an, daß eine von ihnen, oder vielleicht beide, reagieren, als sie entdecken, daß es ausgerechnet Lundberg ist, der sie fährt.«
»Du hast recht«, meinte er. »Die Möglichkeit besteht.«
»Daß die Mädchen bewaffnet waren, wissen wir. Mit Hammer und Messer. Irgendeine Art von Waffe gehört wahrscheinlich bald |140| zur Standardausrüstung von Jugendlichen. Die Mädchen sehen, daß Lundberg den Wagen fährt. Und sie töten ihn. So kann es vor sich gegangen sein. Auch wenn es ziemlich weit hergeholt ist.«
»Nicht mehr als irgend etwas anderes«, unterbrach Wallander sie. »Laß uns überprüfen, ob Lundberg schon einmal mit uns zu tun gehabt hat.«
Ann-Britt stand auf und verließ das Zimmer. Wallander griff zu seinem Notizblock und versuchte, ein Fazit dessen niederzuschreiben, was Ann-Britt gesagt hatte. Es wurde ein Uhr, ohne daß er das Gefühl hatte, weitergekommen zu sein. Er war hungrig und ging in den Eßraum, um nachzusehen, ob noch belegte Brote übrig waren. Aber der Tisch war leer. Er nahm seine Jacke und verließ das Präsidium. Diesmal nahm er sein Handy mit und gab Irene Anweisung, Gespräche von American Express weiterzuleiten. Er ging in das Mittagsrestaurant, das dem Präsidium am nächsten lag. Er spürte, daß er erkannt wurde. Das Bild in der Zeitung war bestimmt von vielen Zeitungslesern in Ystad diskutiert worden. Es war ihm peinlich, und er aß schnell.
Als er wieder auf die Straße trat, piepte sein Handy. Es war Anita. »Wir haben sie gefunden«, sagte sie.
Wallander suchte vergebens nach einem Stück Papier und etwas zum Schreiben.
»Kann ich Sie zurückrufen?« sagte er. »In zehn Minuten.«
Sie gab ihm ihre Durchwahl. Wallander hastete zurück zu seinem Büro und rief sie an.
»Die Karte ist auf den Namen Fu Cheng ausgestellt.«
Wallander schrieb.
»Sie ist ausgestellt in Hongkong«, fuhr sie fort. »Er hat eine Adresse in Kowloon.«
Wallander bat sie, das zu buchstabieren.
»Es gibt nur ein kleines Problem«, sagte sie. »Die Karte ist falsch.«
Wallander fuhr zusammen. »Sie ist also gesperrt?«
»Nein, schlimmer. Sie ist nicht gestohlen. Sie ist gefälscht. American Express hat nie eine Kreditkarte auf den Namen Fu Cheng ausgestellt.«
»Was bedeutet das?«
|141| »Als erstes, daß es gut war, dies so bald wie möglich zu entdecken. Und daß der Restaurantbesitzer sein Geld nicht bekommt. Wenn er nicht eine Versicherung hat.«
»Das bedeutet also, es existiert kein Fu Cheng?«
»Es gibt sicher einen. Aber seine Kreditkarte ist gefälscht. Genau wie seine Adresse.«
»Warum sagen Sie das nicht gleich?«
»Ich habe es versucht.«
Wallander dankte ihr für die Hilfe und beendete das Gespräch. Ein Mann, der vielleicht aus Hongkong kam, war mit einer falschen Kreditkarte in Istváns Restaurant in Ystad aufgetaucht. Dort hatte er Blickkontakt mit Sonja Hökberg aufgenommen.
Wallander versuchte, einen Zusammenhang zu finden, der sie weiterbrachte. Aber er fand nichts. Es gab keine Verbindungsglieder. Vielleicht bilde ich mir etwas ein, dachte er. Und Sonja Hökberg und Eva Persson sind lediglich die Monster der neuen Zeit, die das Leben anderer mit absoluter Gleichgültigkeit betrachten.
Seine eigene Wortwahl ließ ihn erschrecken. Er hatte sie Monster genannt. Ein Mädchen von neunzehn und eines von vierzehn Jahren.
Er schob die Papiere zur Seite. Viel länger konnte er es nicht mehr aufschieben, den Vortrag vorzubereiten,
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