Wallander 08 - Die Brandmauer
den er am Abend halten mußte. Obwohl er beschlossen hatte, ganz einfach der Reihe nach von der Mordermittlung zu erzählen, an der sie gerade arbeiteten, wollte er die Stichwörter, die er sich gemacht hatte, ein wenig ausbauen. Sonst würde seine Nervosität überhandnehmen.
Er begann zu schreiben, konnte sich aber nur schwer konzentrieren. Sonja Hökbergs verkohlter Körper tauchte vor seinem inneren Auge auf. Er zog das Telefon heran und rief Martinsson an. »Sieh einmal nach, ob du etwas über Eva Perssons Vater findest«, sagte er. »Hugo Lövström. Er soll in Växjö leben. Alkoholiker und obdachlos.«
»Dann ist es doch einfacher, die Kollegen in Växjö anzurufen und sie zu fragen«, meinte Martinsson. »Ich beschäftige mich übrigens gerade mit Lundberg.«
»Bist du von selbst darauf gekommen?«
Wallander war verblüfft.
|142| »Ann-Britt hat mich darum gebeten. Sie selbst ist zu Eva Persson nach Hause gefahren. Ich frage mich, was sie da zu finden hofft.«
»Ich habe noch einen Namen für deine Computer. Fu Cheng.«
»Was hast du gesagt?«
Wallander buchstabierte.
»Und wer ist das?«
»Das erkläre ich dir nachher. Wir sollten uns am Nachmittag noch treffen. Ich schlage vor, wir sehen uns um halb fünf. Ganz kurz.«
»Heißt er wirklich Fu Cheng?« fragte Martinsson ungläubig.
Wallander antwortete nicht.
Den Rest des Nachmittags verbrachte er über seinen Stichwörtern für den Abend. Schon nach kurzer Zeit haßte er die ganze Veranstaltung, die vor ihm lag. Im Jahr zuvor hatte er einmal die Polizeihochschule besucht und einen, wie er selbst meinte, mißglückten Vortrag über seine Erfahrungen als Verbrechensermittler gehalten. Aber mehrere Schüler waren nachher zu ihm gekommen und hatten sich bedankt. Wofür sie sich bedankt hatten, war ihm allerdings nie klargeworden.
Um halb fünf gab er seine Vorbereitungen auf. Jetzt mochte es gehen, wie es wollte. Er sammelte seine Papiere zusammen und ging zum Sitzungszimmer. Keiner war da. Er versuchte, im Kopf eine Zusammenfassung zu erstellen. Aber seine Gedanken liefen in verschiedene Richtungen.
Es hängt nicht zusammen, dachte er. Der Mord an Lundberg hängt nicht mit den beiden Mädchen zusammen. Und die ihrerseits hängen nicht mit Sonja Hökbergs Tod in der Transformatorstation zusammen. Diese ganze Ermittlung bleibt ungreifbar. Obwohl wir wissen, was geschehen ist. Uns fehlt das große und entscheidende ›Warum‹.
Hansson kam zusammen mit Martinsson, kurz nach ihnen erschien Ann-Britt. Wallander war froh, daß Lisa Holgersson sich nicht zeigte.
Es wurde eine kurze Sitzung. Ann-Britt hatte einen Besuch bei Eva Persson gemacht. »Alles wirkte normal«, sagte sie. »Eine Wohnung in der Stödgata. Die Mutter arbeitet als Köchin im |143| Krankenhaus. Das Zimmer des Mädchens sah aus, wie man es erwarten konnte.«
»Hatte sie Poster an den Wänden?« fragte Wallander.
»Popgruppen, die ich nicht kenne«, antwortete Ann-Britt. »Nichts, was auffällig wirkte. Warum fragst du?«
Wallander antwortete nicht.
Die Abschrift des Gesprächs mit Eva Persson war schon fertig. Ann-Britt reichte Kopien herum. Wallander berichtete von seinem Besuch bei István, der zur Entdeckung der falschen Kreditkarte geführt hatte.
»Wir werden diesen Mann finden«, schloß er, »und wenn auch nur, um ihn aus der Ermittlung streichen zu können.«
Sie gingen weiter die Resultate der Arbeit des Tages durch. Martinsson zuerst, dann Hansson, der mit Kalle Ryss gesprochen hatte, der als einer von Sonja Hökbergs Freunden bezeichnet worden war. Aber Ryss hatte nichts zu sagen gehabt. Außer, daß er im Grunde sehr wenig über Sonja Hökberg wußte.
»Er sagte, sie sei geheimnisvoll gewesen«, schloß Hansson. »Was auch immer das nun heißen soll.«
Nach zwanzig Minuten faßte Wallander zusammen. »Lundberg wurde von einem der Mädchen oder von beiden getötet. Das Motiv war angeblich Geld. Aber ich glaube nicht, daß es so einfach ist, und deshalb werden wir weiter suchen. Sonja Hökberg wurde ermordet. Es muß einen Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen geben, den wir noch nicht entdeckt haben. Einen unbekannten Ausgangspunkt. Deshalb müssen wir ohne vorgefaßte Meinung an die Dinge herangehen. Dennoch sind einige Fragen natürlich wichtiger als andere. Wer fuhr Sonja Hökberg zur Transformatorstation? Warum wurde sie ermordet? Wir müssen uns weiterhin jede Person in ihrem Bekanntenkreis gründlich vornehmen. Ich glaube, es wird länger dauern, als
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