Wallander 08 - Die Brandmauer
im Lauf des Tages von sich hören lassen.
»Eine letzte Frage noch. Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum jemand seine Leiche entwenden sollte?«
»Natürlich nicht.«
|170| Wallander nickte. Für den Augenblick hatte er keine Fragen mehr.
Nachdem sie in ihren Wagen gestiegen war und zurückgesetzt hatte, trat Nyberg zu ihm. »Was ist denn hier los?«
»Ein Einbruch.«
»Haben wir dafür im Moment Zeit?«
»Es hängt irgendwie mit den anderen Fällen zusammen. Aber gerade jetzt interessiert mich am meisten, was du da draußen gefunden hast.«
Nyberg schneuzte sich in die Faust, bevor er antwortete.
»Du hattest recht. Als die Kollegen aus Malmö mit diesem Relais ankamen, war der Fall klar. Die Monteure konnten uns zeigen, wo es gesessen hatte.«
Wallander spürte die Spannung.
»Kein Zweifel?«
»Nicht der geringste.«
Nyberg verschwand durch die Haustür. Wallander blickte über die Straße, hinüber zu den Kaufhäusern und dem Geldautomaten.
Der Zusammenhang zwischen Tynnes Falk und Sonja Hökberg war bestätigt worden. Aber was das bedeutete, verstand Wallander ganz und gar nicht.
Langsam machte er sich auf den Weg zum Präsidium. Doch nach wenigen Metern beschleunigte er das Tempo.
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Nach der Rückkehr ins Polizeipräsidium widmete sich Wallander dem Versuch, in dem Wust von Details, die sich angehäuft hatten, eine provisorische Ordnung zu schaffen. Aber die verschiedenen Handlungsstränge befanden sich sozusagen im freien Fall. Sie stießen aneinander und verloren sich wieder in verschiedene Richtungen.
Kurz vor elf ging er zur Toilette und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Auch das war eine Angewohnheit, die Rydberg ihm beigebracht hatte.
Es gibt nichts Besseres, wenn die Ungeduld überhandnimmt. Nichts Besseres als kaltes Wasser.
Anschließend ging er weiter zum Eßraum, um sich Kaffee zu holen. Wie so oft war der Kaffeeautomat defekt. Martinsson hatte bei einer früheren Gelegenheit vorgeschlagen, sie sollten sich mit der Bitte um Spenden für einen neuen Kaffeeautomaten an die Allgemeinheit wenden. Mit dem Argument, daß ohne ungehinderten Zugang zu Kaffee keine sinnvolle Polizeiarbeit möglich sei. Wallander betrachtete mißmutig den Apparat und erinnerte sich daran, daß in einer seiner Schreibtischschubladen noch eine Dose Pulverkaffee sein mußte. Er ging zu seinem Zimmer und durchsuchte den Schreibtisch. Schließlich fand er den Kaffee, ganz hinten, zusammen mit einer Schuhbürste und zwei kaputten alten Handschuhen.
Dann stellte er eine Liste der verschiedenen Ereignisse auf. Am Rand hielt er den zeitlichen Ablauf fest. Seine Gedanken waren darauf gerichtet, die Oberfläche der Ereignisse zu durchdringen. Er war inzwischen sicher, daß es mehrere Schichten in dem Ganzen gab. An die unterste mußten sie herankommen.
Am Ende saß er mit einer Geschichte da, die sich wie ein böses Märchen las. Zwei Mädchen gehen eines Abends in ein Restaurant |172| und trinken Bier. Das eine Mädchen ist so jung, daß ihm überhaupt kein Bier hätte ausgeschenkt werden dürfen. Im Laufe des Abends tauschen sie die Plätze. Das geschieht zur gleichen Zeit, als ein Mann mit asiatischem Aussehen das Lokal betritt und sich an einen der Tische setzt. Dieser Mann bezahlt mit einer falschen Kreditkarte, die auf eine Person mit Namen Fu Cheng, wohnhaft in Hongkong, ausgestellt ist.
Nach einigen Stunden bestellen die Mädchen ein Taxi, geben als Ziel Rydsgård an und erschlagen unterwegs den Taxifahrer. Sie berauben ihn und gehen anschließend nach Hause, jede zu sich. Als sie festgenommen werden, gestehen sie auf der Stelle, nehmen gemeinsam die Schuld auf sich und nennen als Motiv Geldbedarf. Das ältere der beiden Mädchen flieht in einem unbewachten Augenblick aus dem Polizeipräsidium. Später wird sie verbrannt in einer Transformatorstation in der Nähe von Ystad gefunden. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist sie ermordet worden. Die Transformatorstation ist wichtig für die Stromversorgung eines großen Teils von Schonen. Als Sonja Hökberg stirbt, gehen von Trelleborg bis Kristianstad die Lichter aus. Zur gleichen Zeit ändert das zweite Mädchen seine Geschichte. Es widerruft sein Geständnis.
Parallel zu diesen Ereignissen verläuft eine Nebenhandlung. Es ist denkbar, daß diese Nebenhandlung die eigentlich entscheidende ist, das Zentrum, das wir suchen. Ein alleinstehender Computerberater namens Tynnes Falk putzt während einiger Stunden am Sonntag seine Wohnung und
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