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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sich das, was er gerade gehört hatte, unsinnig anhörte, wusste er, dass Linda einen scharfen Blick hatte und sich selten irrte, wenn es galt, Menschen zu identifizieren. »Lass uns noch einmal einen Schritt zurückgehen«, sagte er. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, war er an der Bank, auf der du gesessen hast, schon vorbei, als du ihn erkannt hast. Aber du sagst, du hättest sein Gesicht gesehen. Er muss sich also umgedreht haben?«
    »Ja. Er warf einen Blick über die Schulter zurück.«
    »Warum hat er das getan?«
    Sie zog die Stirn kraus. »Woher soll ich das wissen?«
    »Es ist eine ganz einfache und sinnvolle Frage. Rechnete er damit, dass jemand hinter ihm war? War er ängstlich? Blickte er sich zufällig um oder hatte er etwas gehört? Es gibt eine Menge möglicher Antworten.«
    »Ich glaube, er wollte kontrollieren, ob ihm jemand folgte.«
    »Du glaubst?«
    »Ich kann es nicht wissen. Aber ja, ich glaube, er kontrollierte, ob jemand hinter ihm war, den er nicht hinter sich haben wollte.«
    »Wirkte er ängstlich? Besorgt?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    Wallander überlegte. Zwei oder drei Fragen blieben für den Moment unbeantwortet. »Kann er dich gesehen haben?«
    »Nein.«
    »Wie kannst du da sicher sein?«
    »Dann hätte er zur Bank schauen müssen. Das hat er nicht getan.«
    »Hast du es Hans erzählt?«
    »Ich habe ihm erzählt, was ich gesehen hatte. Er war aufgebracht und sagte, ich müsse es mir eingebildet haben.«
    »Wolltest du dich vergewissern, dass er nicht heimlich seinen Vater getroffen hatte?«
    Sie nickte wortlos.
    Eine Wolke schob sich vor die Sonne, in der Ferne hörte man Donnergrollen. Sie gingen hinein. Wallander bat sie, zum Essen zu bleiben, aber sie musste nach Hause. Gerade als sie fahren wollte, setzte das Unwetter ein, ein heftiger Sturzregen. Der Hofplatz verwandelte sich in ein trostloses Schlammfeld. Wallander beschloss, noch in dieser Woche ein paar Wagenladungen Kies zu bestellen, um nicht bei jedem Regenschauer durch Schlamm waten zu müssen.
    »Ich bin sicher«, wiederholte sie. »Er war es. Quicklebendig in Kopenhagen.«
    »Dann wissen wir das«, sagte Wallander. »Håkan hat nicht das gleiche Schicksal ereilt wie seine Frau. Er lebt. Das verändert alles.«
    Linda nickte. Sie konnten jetzt nicht mehr ausschließen, dass Håkan seine Frau getötet hatte. Aber jetzt hieß es nichts zu überstürzen. Konnte es einen anderen Grund geben, warum er sich versteckt gehalten hatte? Aus Furcht, oder aus einem anderen, noch unbekannten Grund? War er auf der Flucht? Warum zog er es vor, im Schatten zu bleiben?
    Sie schwiegen, beide versunken in ihre Gedanken. Der Regen zog ebenso schnell ab, wie er gekommen war.
    »Was hat er in Kopenhagen gemacht?«, sagte Wallander. »Ich sehe nur eine plausible Antwort auf diese Frage.«
    »Er wollte Hans treffen, denkst du. Vielleicht, um irgendwelche Geldprobleme zu lösen? Aber ich bin überzeugt davon, dass Hans mir nichts vorlügt.«
    »Daran zweifle ich auch nicht. Aber wer sagt denn, dass sie schon Kontakt aufgenommen haben? Vielleicht geschieht es erst morgen.«
    »Dann wird er es mir sagen.«
    »Vielleicht«, sagte Wallander nachdenklich.
    »Warum sollte er es nicht tun?«
    »Mit Loyalität ist es immer schwierig. Was geschieht, wenn sein Vater ihn bittet, nicht darüber zu reden, auch mit dir nicht? Und wenn er einen Grund dafür vorbringt, den Hans nicht in Frage zu stellen wagt?«
    »Ich merke es, wenn er mir etwas verheimlicht.«
    »Eins habe ich gelernt«, sagte Wallander und setzte tastend den Fuß auf den matschigen Boden. »Man soll nie denken, man wisse besonders viel über die Gedanken und Vorstellungen anderer Menschen.«
    »Was soll ich denn tun?«
    »Sag vorläufig nichts. Frage nichts. Ich muss erst darüber nachdenken, was dies alles bedeutet. Das musst du auch. Aber ich werde natürlich mit Ytterberg sprechen.«
    Er begleitete sie zum Wagen. Sie hielt sich an seinem Arm fest, um nicht auszurutschen. »Du solltest etwas mit diesem Hof machen«, sagte sie. »Willst du ihn nicht mit Kies auslegen?«
    »Daran habe ich auch gerade gedacht«, sagte Wallander.
    Sie saß schon im Wagen, als sie noch einmal auf Baiba zu sprechen kam. »Ist es wirklich so schlimm? Dass sie sterben wird?«
    »Ja.«
    »Wann ist sie gefahren?«
    »Heute früh.«
    »Wie war es, sie wieder zu treffen?«
    »Sie ist gekommen, um Abschied zu nehmen. Sie hat Krebs und wird bald sterben. Was man dabei fühlt, kannst du dir ohne meine Hilfe

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