Wallander 09 - Der Feind im Schatten
dreckig ging. Warum rufen Sie an? Was wollen Sie?«
»Ich hatte gehofft, etwas in seinem großen Archiv nachschlagen zu können.«
»Sölve ist tot, aber vielleicht kann ich Ihnen helfen. Auch wenn ich nicht weiß, ob ich das will. Warum haben Sie ihn nicht in Ruhe gelassen?«
»Ich glaube, keiner von uns war sich darüber im Klaren, was wir da taten. Kinder können biestig sein. Ich war keine Ausnahme.«
»Tut es Ihnen leid?«
»Natürlich.«
»Dann kommen Sie her. Weil er wohl ahnte, dass er nicht allzu lange leben würde, hat er mir gezeigt, wie sein Archiv aufgebaut ist. Was passiert, wenn ich auch nicht mehr lebe, weiß ich nicht. Ich bin immer zu Hause. Sölve hat mir Geld hinterlassen. Ich brauche nicht zu arbeiten.«
Sie lachte. »Wissen Sie, wie er sein Geld verdient hat?«
»Ich nehme an, er war ein gefragter Vortragsredner.«
»Dafür hat er nie Geld genommen. Sie haben noch einen Versuch frei.«
»Dann weiß ich es nicht.«
»Er spielte Poker. Er besuchte illegale Spielclubs. Das fällt wohl in Ihr Ressort?«
»Ich dachte, dass man Kartenspiele heutzutage im Internet spielt.«
»Daraus hat er sich nie etwas gemacht. Er hat seine Clubs besucht, manchmal war er mehrere Wochen weg. Es kam vor, dass er große Summen verlor, aber meistens kehrte er mit einem Koffer voller Scheine zurück. Er sagte mir, ich solle sie zählen und zur Bank bringen. Er selbst ging ins Bett und schlief, oft tagelang. Die Polizei war bei verschiedenenGelegenheiten hier. Er wurde bei Razzien gefasst, aber nie angeklagt und verurteilt. Ich vermute, er hatte eine Absprache mit der Polizei.«
»Was meinen Sie damit?«
»Was soll ich denn anderes meinen, als dass er ihnen Tipps gab? In diesen Clubs tauchten gewisse gesuchte Personen mit dem Geld aus Raubüberfällen auf. Keiner konnte sich vorstellen, dass der nette dicke Sölve eine Plaudertasche war. Kommen Sie, oder kommen Sie nicht?«
Als Wallander die Adresse notierte, sah er, dass Sölve immer in derselben Straße in Limhamn gewohnt hatte. Sie verabredeten sich für fünf Uhr am selben Tag. Nach dem Gespräch rief er Linda an. Da der Anrufbeantworter lief, sagte er nur, dass er zu Hause sei. Nachdem er die Lebensmittel, denen er nicht mehr traute, in den Müll geworfen hatte, schrieb er eine Einkaufsliste.
Gerade als er aus dem Haus gehen wollte, rief Linda an. »Ich war in der Apotheke. Klara ist krank.«
»Ist es etwas Ernstes?«
»Du hörst dich immer gleich so an, als läge sie im Sterben. Sie hat Fieber und Halsschmerzen. Das ist alles.«
»Warst du mit ihr beim Arzt?«
»Ich habe in der Ambulanz angerufen. Ich glaube, ich habe alles unter Kontrolle. Vorausgesetzt, du regst dich nicht auf, so dass du damit dann mich aufregst. Wo bist du gewesen?«
»Das sage ich im Moment nicht.«
»Eine Frau, mit anderen Worten. Das ist gut.«
»Keine Frau. Aber ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Ich bekam vor einer Weile einen Anruf. Von Håkan. Er hat sich gemeldet.«
Zuerst schien sie nicht zu verstehen. Dann rief sie laut in den Hörer. »Håkan hat sich gemeldet? Was sagst du da, verdammt? Wo ist er? Wie geht es ihm? Was ist passiert?«
»Schrei mir nicht so ins Ohr! Ich weiß nicht, wo er ist. Das wollte er nicht verraten. Er hat nur gesagt, dass es ihm gutgehe. Es hörte sich nicht so an, als ob ihm etwas fehlte.«
Wallander hörte sie schwer atmen. Es bereitete ihm starkes Unbehagen, sie anzulügen. Er bereute, sein Wort gegeben zu haben, bevor er die Insel verließ. Ich sage es, wie es ist, dachte er. Ich kann meine Tochter nicht betrügen.
»Das hört sich völlig wahnsinnig an. Hat er nichts darüber gesagt, warum er verschwunden ist?«
»Nein. Aber er hat gesagt, dass er nichts mit Louises Tod zu tun habe. Er war genauso geschockt wie wir alle. Nach seinem Verschwinden hat er keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt.«
»Sind meine Schwiegereltern vollkommen verrückt?«
»Das kann ich nicht beantworten. Aber wir sollten auf jeden Fall froh sein, dass er lebt. Das war die einzige Nachricht, die ich euch übermitteln sollte. Es geht ihm gut. Aber er wollte weder sagen, wann er zurückkommt, noch warum er sich versteckt hält.«
»Hat er das gesagt? Dass er sich versteckt hält?«
Wallander erkannte, dass er zu viel gesagt hatte. Aber jetzt war es zu spät für einen Rückzieher. »Ich erinnere mich nicht genau an den Wortlaut. Du darfst nicht vergessen, dass auch ich vollkommen überrumpelt war.«
»Ich muss mit Hans sprechen. Er ist in
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