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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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großen Spion kamen und gingen, manchmal waren sie stärker, manchmal schwächer. Viele von uns wurden zu Verhören einbestellt, auch noch nach der Pensionierung. Und ich hatte also das Gefühl, überwacht zu werden.«
     
    Von Enke stand auf, machte die Lampen aus und zog einige Rouleaus hoch. Eine graue Dämmerung mit einem ebenso grauen Meer zeigte sich zwischen den Bäumen. Wallander trat an ein Fenster. Es war windig geworden. Er machte sich Sorgen wegen des Boots. Håkan von Enke begleitete ihn, als er hinausging, um die Vertäuung zu kontrollieren. Ein paar Eiderenten schaukelten auf den Wellen. Die Sonne vertrieb langsam den nächtlichen Dunst. Das Boot lag an seinem Platz. Mit vereinten Kräften zogen sie es höher zwischen die Strandsteine.
    »Wer hat Louise getötet?«, fragte Wallander, als sie zurückgingen.
    Håkan von Enke blieb stehen und sah ihn an. Wallander stellte sich vor, dass er Louise damals in Menton auf ähnliche Art und Weise mit seinem Verdacht konfrontiert hatte.
    »Wer sie getötet hat? Das fragst du mich? Ich weiß nur, dass ich es nicht war. Aber was sagt die Polizei? Was sagst du?«
    »Der Kriminalbeamte in Stockholm, der die Ermittlung leitet, macht einen kompetenten Eindruck. Aber er weiß es nicht. Noch nicht, sollte ich vielleicht sagen. Wir geben nicht so leicht auf.«
    In der Jagdhütte setzten sie sich wieder an den Tisch und führten ihr Gespräch fort.
    »Wir müssen noch einmal von vorn anfangen«, sagte Wallander. »Warum ist sie verschwunden? Der nächstliegende Gedanke für uns, die wir die Geschichte von außen betrachteten, war natürlich, dass es eine Absprache zwischen euch gab.«
    »So war es aber nicht. Ich erfuhr aus den Zeitungen, dass sie verschwunden war. Es war ein Schock für mich.«
    »Sie wusste also nicht, wo du dich versteckt hältst?«
    »Nein.«
    »Wie lange hattest du eigentlich vor, hier zu bleiben?«
    »Ich brauchte meine Ruhe, musste nachdenken. Außerdem war ich mit dem Tod bedroht worden. Ich musste einen Ausweg finden.«
    »Ich habe Louise mehrere Male getroffen. Sie war aufrichtig und zutiefst besorgt, was dir zugestoßen sein könnte.«
    »Sie hat dich genauso getäuscht, wie sie mich getäuscht hat.«
    »Das ist nicht sicher. Kann sie dich nicht ebenso sehr geliebt haben wie du sie?«
    Von Enke antwortete nicht, schüttelte nur den Kopf.
    »Und?«, fragte Wallander. »Hast du einen Ausweg gefunden?«
    »Nein.«
    »Du musst nachgedacht, gegrübelt, schlaflos hier im Haus gelegen haben. Ich glaube dir, dass du Louise geliebt hast. Aber nicht einmal nach ihrem Tod hast du dein Versteck verlassen. Die Gefahr für dein Leben sollte doch nach meinem Dafürhalten vorbei gewesen sein, als sie nicht mehrlebte. Aber du hast dich weiter versteckt. Mir ist das schleierhaft.«
    »Seit ihrem Tod habe ich fast zehn Kilo abgenommen. Ich kann kaum essen, ich schlafe so gut wie nicht mehr. Ich versuche zu verstehen, was geschehen ist, aber ohne Erfolg. Es ist, als wäre Louise ein mir fremder Mensch geworden. Ich weiß nicht, wen sie getroffen hat, was zu ihrem Tod geführt hat. Ich habe keine Antworten.«
    »Hattest du jemals den Eindruck, dass sie Angst hatte?«
    »Nie.«
    »Ich kann etwas erzählen, was nicht in den Zeitungen gestanden hat, etwas, was die Polizei der Öffentlichkeit bislang noch vorenthält.«
    Wallander berichtete von dem Verdacht, dass Louise mit einem Gift getötet worden war, das man früher in der DDR benutzt hatte. »Es ist wohl so, dass du die ganze Zeit recht gehabt hast«, sagte er abschließend. »An irgendeinem Punkt in ihrem Leben ist deine Frau Louise Agentin für den russischen Nachrichtendienst geworden. Sie war das, was du vermutet hast. Die Spionin, von der bei den Gerüchten die Rede war.«
     
    Von Enke stand abrupt auf und verließ das Haus. Wallander wartete. Nach einer Weile wurde er unruhig und ging ihm nach. Er fand ihn auf dem Rücken liegend in einer Felsennische auf der dem offenen Meer zugewandten Seite der Insel.
    Wallander setzte sich neben ihn auf einen Stein. »Du musst zurückkommen«, sagte er. »Nichts wird klarer dadurch, dass du dich weiter hier versteckst.«
    »Vielleicht wartet auf mich das gleiche Gift? Was wird besser dadurch, dass ich auch sterbe?«
    »Nichts. Aber die Polizei verfügt über Möglichkeiten, dich zu schützen.«
    »Ich muss mich an den Gedanken gewöhnen. Dass ichtrotz allem recht hatte. Ich muss versuchen zu verstehen, warum und wie sie das alles getan hat. Erst dann kann ich

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