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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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was du gemeint oder nicht gemeint hast.«
    Hans starrte Wallander intensiv an. »Lass mich zuallererst sagen, dass meine Mutter unmöglich eine Spionin gewesensein kann. Auch wenn sie sich oft geheimnisvoll gab.«
    Wallander zog die Augenbrauen hoch. »Das hast du früher nicht gesagt, wenn wir über sie sprachen. Dass sie geheimnisvoll war. Das ist neu.«
    »Ich habe nachgedacht nach unserem letzten Gespräch. Sie erscheint mir immer geheimnisvoller. In erster Linie wegen Signe. Kann man eigentlich jemanden schlimmer täuschen? Als wenn man vor einem Kind verbirgt, dass es einen Bruder oder eine Schwester hat? Ich habe mich manchmal darüber beklagt, dass ich ein Einzelkind war. Besonders, bevor ich in die Schule kam. Aber nie lag auch nur etwas Ausweichendes in ihren Antworten. Jetzt denke ich, dass sie meine kindliche Sehnsucht mit Eiseskälte beantwortete.«
    »Und dein Vater?«
    »Er war in jenen Jahren wenig zu Hause. In meiner Erinnerung war er auf jeden Fall fast nie da. Wenn er mal durch die Tür trat, wusste ich, dass er bald wieder verschwinden würde. Er hatte immer Geschenke für mich. Aber ich wagte es nicht, mich richtig zu freuen. Wenn seine Uniformen hervorgeholt und gelüftet und gebürstet wurden, wusste ich, was passieren würde. Am nächsten Morgen war er weg.«
    »Kannst du etwas mehr darüber sagen, was dir an deiner Mutter geheimnisvoll vorkam?«
    »Das fällt mir schwer. Manchmal wirkte sie abwesend, so tief in ihren eigenen Gedanken, dass sie böse wurde, wenn ich sie störte. Es kam mir beinah so vor, als fügte ich ihr Schmerzen zu, als hätte ich sie gestochen. Ich weiß nicht, ob ich mich richtig verständlich mache, aber das ist meine Erinnerung. Manchmal klappte sie ein Notizbuch zu oder verbarg hastig ein Papier, an dem sie arbeitete, wenn ich ins Zimmer kam. Wird es so klarer?«
    »Gab es etwas, was deine Mutter machte, wenn dein Vater nicht zu Hause war? Eine Routine, die sich plötzlich änderte?«
    »Nein. Ich glaube nicht.«
    »Du antwortest zu schnell. Denk nach!«
    Hans stand auf und trat ans Glasfenster. Durch den Fußboden konnte Wallander einen Straßenmusikanten sehen, der eine Gitarre malträtierte, einen Hut vor sich auf dem Pflaster. Kein Geräusch von der Musik drang durchs Glas.
    Hans kehrte an seinen Platz zurück. »Vielleicht«, sagte er zögernd. »Was ich jetzt sage, kann ich nicht beschwören. Es kann Einbildung sein, ein Erinnerungsbild, das täuscht. Aber vielleicht hast du recht. Wenn Håkan weg war, saß sie oft am Telefon, immer bei geschlossener Tür. Das tat sie nicht, wenn er zu Hause war.«
    »Telefonieren oder die Tür zumachen?«
    »Beides.«
    »Mach weiter!«
    »Oft lagen Papiere da, an denen sie arbeitete. Ich hatte das Gefühl, dass die Papiere verschwanden, wenn Håkan nach Hause kam, dass stattdessen Blumen auf dem Tisch standen.«
    »Was waren das für Papiere?«
    »Das weiß ich nicht. Aber manchmal waren es auch Zeichnungen.«
    Wallander merkte auf. »Zeichnungen wovon?«
    »Wasserspringer. Meine Mutter konnte gut zeichnen.«
    »Wasserspringer?«
    »Verschiedene Sprünge, Phasen einzelner Sprünge. ›Handstandsprung mit Schraube‹ und wie sie alle heißen.«
    »Kannst du dich an andere Zeichnungen erinnern?«
    »Sie hat mich mehrmals gezeichnet. Wo die Zeichnungen sind, weiß ich nicht. Aber sie waren gut.«
    Wallander brach ein Plunderstück in zwei Teile und tunkte die eine Hälfte in seinen Kaffee. Hans sah zur Uhr. Der Musikant unter Wallanders Füßen spielte weiter seine lautlose Musik. »Ich bin noch nicht ganz fertig«, sagte Wallander.»Erzähl mir etwas über die Ansichten deiner Mutter. Politisch, sozial, wirtschaftlich. Was dachte sie über Schweden?«
    »Bei uns wurde nicht über Politik gesprochen.«
    »Nie?«
    »Einer meiner Eltern sagte vielleicht, dass die schwedischen Streitkräfte nicht mehr in der Lage wären, unser Land zu verteidigen. Dann konnte der andere antworten, das sei die Schuld der Kommunisten. Mehr wurde nicht gesagt. Beide hätten beides sagen können. Sie waren natürlich konservativ, darüber haben wir schon gesprochen. Es kam überhaupt nichts anderes in Frage, als für die Moderaten zu stimmen. Die Steuern waren zu hoch, Schweden nahm zu viele Einwanderer auf, die dann auf den Straßen Chaos anrichteten. Man kann, glaube ich, sagen, dass sie so dachten, wie man es von ihnen erwartete.«
    »Und davon wich keiner von beiden ab?«
    »Nie, soweit ich mich erinnern kann.«
    Wallander nickte und aß die zweite

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