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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hat.«
    »Ich frage mich nur. Ich glaube, man sieht sich selbst in seinen Kindern. Heute rufst du also Ytterberg an?«
    »Morgen. Aber du warst ein liebes Kind.«
    »Später wurde es schlimmer. Als ich Teenager war.«
    »Ja«, sagte Wallander. »Viel schlimmer.«
     
    Nach dem Gespräch blieb er sitzen. Es war eine seiner schlimmsten Erinnerungen, ein Ereignis, das er sich äußerst selten ins Bewusstsein rief. Linda hatte als Fünfzehnjährige versucht, sich das Leben zu nehmen. Es war wahrscheinlich kein besonders ernst gemeinter Versuch gewesen, eher der klassische Ruf danach, gesehen zu werden, ein Hilferuf. Aber es hätte dennoch schlimm ausgehen können, wenn Wallander nicht seine Brieftasche vergessen hätte und noch einmal nach Hause zurückgekehrt wäre. Er hatte sie lallend vorgefunden, neben sich eine leere Tablettenschachtel. Eine Angst wie in jenem Augenblick hatte er weder vorher noch nachher je erlebt. Und es zählte zu den größten Niederlagen in seinem Leben, dass er nicht gemerkt hatte, wie schlecht es ihr ging, gerade in den schweren Teenagerjahren.
    Er schüttelte das Unbehagen ab. Er war überzeugt davon,dass er selbst seinem Leben ein Ende gemacht hätte, wenn sie damals gestorben wäre.
     
    Er dachte zurück an ihr Gespräch. Lindas feste Überzeugung, dass Louise keine Spionin war, machte ihn nachdenklich. Es handelte sich nicht um einen Beweis, sondern um eine Überzeugung: Es konnte nicht sein. Aber wenn es so ist, dachte Wallander, was ist dann die Erklärung? Konnten Louise und Håkan trotz allem irgendwie zusammengearbeitet haben? Oder war Håkan von Enke so kaltblütig verlogen, dass er von seiner großen Liebe zu Louise sprach, damit niemand auch nur auf den Gedanken kam, er könne sie nicht geliebt haben? Steckte er hinter ihrem Tod und versuchte, alle Nachforschungen in eine falsche Richtung zu lenken?
    Wallander schrieb ein paar Worte auf seinen Notizblock. Lindas Überzeugung, dass Louise unschuldig ist. Im Innersten glaubte er nicht an ihre Unschuld. Louise war selbst verantwortlich dafür, dass sie getötet worden war. So musste es sein.
     
    Einige Minuten vor zwei Uhr klingelte Wallander an der Glastür des exklusiven Büros am Rundetårn in Kopenhagen. Eine üppige junge Dame ließ ihn durch die summenden Türen. Sie rief Hans, der sofort auf dem Korridor erschien und Wallander entgegenkam. Er war blass und machte einen übernächtigten Eindruck. Sie gingen an einem offenen Sitzungsraum vorbei, in dem ein heftiger Wortwechsel zwischen einem englisch sprechenden Herrn in mittleren Jahren und zwei isländisch sprechenden jüngeren blonden Männern vor sich ging. Ihr Disput wurde von einer ganz in Schwarz gekleideten Frau gedolmetscht.
    »Harte Bandagen«, sagte Wallander. »Ich dachte, Finanzleute sprächen leise miteinander?«
    »Wir sagen manchmal, dass wir in der Schlachterbranchearbeiten«, sagte Hans. »Es hört sich schlimmer an, als es ist. Aber wenn man sich mit Geld befasst, bekommt man zumindest symbolisch blutige Hände.«
    »Worüber diskutieren sie so erregt?«
    Hans schüttelte den Kopf. »Geschäfte. Worum es geht, kann ich nicht erzählen. Nicht einmal dir.«
    Wallander fragte nicht weiter. Hans nahm ihn mit in ein kleineres Sitzungszimmer, das vollständig verglast war und an der Außenwand des Bürogebäudes zu hängen schien. Sogar der Fußboden war aus Glas. Wallander hatte das Gefühl, sich in einem Aquarium zu befinden. Eine Frau, ebenso jung wie die in der Anmeldung, brachte Kaffee und einen Teller mit Kopenhagener Gebäck. Wallander legte seinen Notizblock und den Stift neben die Tasse, während Hans eingoss. Wallander sah, dass seine Hand zitterte.
    »Ich dachte, die Zeit des Notizenmachens wäre vorbei«, sagte Hans. »Sind denn Polizisten heute nicht ausschließlich mit Aufnahmegeräten oder sogar mit Videokameras ausgerüstet?«
    »Fernsehserien vermitteln nicht immer ein zutreffendes Bild von unserer Arbeit«, sagte Wallander. »Natürlich benutze ich auch mal ein Aufnahmegerät. Aber dies hier ist ja kein Verhör, sondern ein Gespräch.«
    »Wo sollen wir anfangen? Ich muss dir vorab sagen, dass ich wirklich nur diese eine Stunde habe. Es war schon schwierig genug, den Zeitplan zu ändern.«
    »Es geht um deine Mutter«, sagte Wallander mit Nachdruck. »Keine Arbeit kann wichtiger sein, als herauszufinden, was ihr zugestoßen ist. Ich nehme an, dass wir uns darin einig sind?«
    »So habe ich es nicht gemeint.«
    »Kommen wir also zur Sache, egal,

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