Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
verließ den Computer, maß seinen Blutzucker und war diesmal mit dem Ergebnis von 10,2 weniger zufrieden. Das war zu hoch. Er war mit der Einnahme seiner Metformintabletten und mit seinem Insulin zu nachlässig gewesen. Eine Kontrolle im Kühlschrank ergab, dass er in den nächsten Tagen seinen Medikamentenvorrat auffrischen musste.
    Er schluckte jeden Tag nicht weniger als sieben verschiedene Tabletten, für seinen Diabetes, seinen Blutdruck und seinen Cholesterinspiegel. Es gefiel ihm nicht, es war wie eine Niederlage. Viele seiner Kollegen nahmen überhaupt keine Medikamente, zumindest behaupteten sie es. Rydberg hatte seinerzeit alle chemischen Präparate verachtet. Er nahm nicht einmal etwas gegen die Kopfschmerzen, die ihn oft plagten. Jeden Tag führe ich meinem Körper eine Unzahl chemischer Substanzen zu, über die ich im Grunde nichts weiß, dachte er. Ich glaube meinen Ärzten und der Pharmaindustrie, ohne ihre Verordnungen in Frage zu stellen.
    Nicht einmal Linda hatte er von all seinen Medikamenten erzählt. Sie wusste auch nicht, dass er inzwischen Insulin spritzte. Für den Fall, dass sie an seinen Kühlschrank ging, hatte er die Packungen hinter einigen Gläsern Mango Chutney versteckt, die sie, wie er wusste, nicht anrühren würde.
     
    Er las den Brief noch mehrere Male, ohne etwas anderes zu entdecken als das, was da stand. Håkan von Enke hatte ihm keine versteckte Botschaft gesandt. Gegen sieben Uhr stattete sein nächster Nachbar Olofsson ihm einen überraschenden Besuch ab. Er roch nach Tierfutter. Er war ein großer, zahnloser Kerl, als ob er eigentlich Eishockeyspieler wäre und kein schonischer Landwirt. Jetzt kam er, um sich nach Wallanders kleinem Stück Land zu erkundigen, das brachlag; könnte er sich vorstellen, das Land zu verpachten? Olofssons Enkelin sollte ein Pony zum Geburtstag bekommen, und im nächsten Jahr würde er eine kleine Weide brauchen.Wallander war natürlich einverstanden und weigerte sich, Geld zu nehmen. Es reichte schon, dass sie so oft Jussi versorgten. Olofsson war ein redseliger Bursche, und Wallander sah ein, dass er nicht gehen würde, bevor er eine Tasse Kaffee bekommen hatte. Sie unterhielten sich über Wind und Wetter und ausgebrochene Jungbullen. Olofsson war neugierig und stellte Fragen über verschiedene Kriminalfälle, von denen er in Ystads Allehanda gelesen hatte. Es war fast zehn Uhr, als Olofsson endlich seinen massigen Körper vom Stuhl hochstemmte und zu seinem Traktor hinausging. Sie besiegelten die Absprache wegen der Weide mit einem Handschlag. Wallander war todmüde, als er ins Haus zurückkehrte. Der Brief von Håkan von Enke lag auf dem Küchentisch. Er fing noch einmal an, ihn zu lesen, ließ ihn aber nach der Hälfte sinken. Er suchte nach etwas, was nicht da war.
    In der Nacht träumte er von seinem Vater. Er stand auf dem kleinen Stück Land, das Wallander Olofsson versprochen hatte, und streichelte seine Staffelei, als wäre sie ein Pferd.
     
    Es war kurz nach sieben, und er war gerade aufgestanden, als das Telefon klingelte. Er dachte, es könne nur Linda sein, die sich so früh meldete, gerade jetzt, wo er Urlaub hatte. Er hob ab.
    »Ist dort Kurt Wallander?«
    Es war ein Mann. Sein Schwedisch war tadellos, dennoch nahm Wallander einen ganz leichten Akzent wahr.
    »Ich nehme an, ich spreche mit George Talboth«, sagte Wallander. »Ich hatte damit gerechnet, dass Sie sich melden würden.«
    »Sag du, ich bin George und du bist Knut.«
    »Nicht Knut. Kurt.«
    »Kurt. Kurt Wallander. Ich verwechsle Namen leicht. Wann kommst du her?«
    Die Frage verblüffte Wallander. Was hatte Håkan von Enke ihm eigentlich geschrieben? »Ich habe nicht die Absicht, nach Berlin zu fahren. Ich habe erst gestern einen Brief erhalten, der von deiner Existenz berichtet.«
    »Håkan schrieb mir, du wärst sicher bereit, herzukommen.«
    »Warum kommst du nicht nach Schonen?«
    »Ich habe keinen Führerschein. Und zu fliegen oder Zug zu fahren langweilt mich.«
    Ein Amerikaner ohne Führerschein, dachte Wallander. Das muss ein seltsamer Mensch sein.
    »Vielleicht kann ich dir helfen«, fuhr George Talboth fort. »Ich kannte Louise ebenso gut, wie ich Håkan kannte. Sie hatte außerdem guten Kontakt zu meiner Frau Marilyn. Sie haben oft zusammen Tee getrunken. Hinterher erzählte Marilyn, worüber sie sich unterhalten hatten.«
    »Und was war das?«
    »Louise sprach fast immer über Politik. Marilyn interessierte sich weniger dafür. Aber sie hörte höflich

Weitere Kostenlose Bücher