Wallander 09 - Der Feind im Schatten
musste sich etwas eingebildet haben.
Er fuhr über die lange Brücke zurück, machte bei der Raststätte Fars Hatt eine Pause und fuhr anschließend direkt nach Hause.
Als er aus dem Wagen stieg, hatte er plötzlich ein Blackout. Er stand mit den Autoschlüsseln in der Hand da, völlig leer. Die Motorhaube war warm. Wieder befiel ihn Panik. Wo war er gewesen? Jussi bellte und sprang am Zaun hoch. Wallander starrte den Hund an und versuchte, sich zu erinnern. Er sah auf die Autoschlüssel, auf das Auto, als könnten sie ihm Antwort geben. Es dauerte fast zehn Minuten, bevor der Krampf nachließ und er wieder wusste, was er getan hatte. Er war schweißgebadet. Es wird schlimmer, dachte er. Ich muss herausfinden, was mit mir los ist.
Er holte Post und Zeitungen aus dem Briefkasten und setzte sich an den Gartentisch. Er war immer noch erschüttert über den Gedächtnisverlust, der ihn überfallen hatte.
Erst später, als er Jussi sein Fressen gegeben hatte, entdeckte er zwischen den Zeitungen einen Brief. Ohne Absender. Die Schrift kannte er nicht.
Er öffnete den handgeschriebenen Brief. Er war von Håkan von Enke.
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Der Brief war in Norrköping aufgegeben und hatte folgenden Wortlaut:
In Berlin lebt ein Mann namens George Talboth. Er ist Amerikaner und hat früher an der Botschaft in Stockholm gearbeitet. Er spricht fließend Schwedisch und gilt als Experte für das Verhältnis der skandinavischen Länder zur Sowjetunion und dem heutigen Russland. Ich lernte ihn schon Ende der 1960 er Jahre kennen, als er zum ersten Mal in Stockholm war und mit dem damaligen Militärattaché Hotchinson zu verschiedenen Empfängen und Besuchen kam, unter anderem in Berga. Wir lernten uns näher kennen, er und seine Frau spielten Bridge, wir verkehrten miteinander. Nach und nach wurde mir klar, dass er der CIA angehörte. Er versuchte jedoch nie, mir vertrauliche Informationen zu entlocken, die ich nicht hätte weitergeben dürfen. 1974 , vielleicht ein Jahr später, erkrankte seine Frau Marilyn an Krebs und starb bald darauf. Für George war es eine Katastrophe. Er und seine Frau hatten ein womöglich noch engeres Verhältnis gehabt als Louise und ich. Er kam immer öfter zu uns nach Hause, fast jeden Sonntag und oft auch während der Woche. 1979 wurde er zur Botschaft nach Bonn versetzt und blieb auch nach seiner Pensionierung in Deutschland, zog jedoch nach Berlin. Es ist natürlich möglich, dass er, sozusagen » nebenbei«, seinem Land weiterhin verschiedene Dienste erweist. Doch darüber weiß ich nichts.
Im vergangenen Dezember sprach ich am Telefon mit ihm. Er ist inzwischen 72 Jahre alt, aber intellektuell noch sehr beweglich. Er ist fest davon überzeugt, dass der Kalte Krieg noch immer eine Realität ist. Als das sowjetische Imperium zusammenbrach, gab es zwar eine Revolution, die ebenso durchgreifend war wie die Ereignisse von 1917, aber George zufolge handelte es sich nur um einen vorübergehenden Rückgang, eine kurzzeitige Schwächephase. Heute sieht er sich in seiner Auffassung bestätigt durch ein Russland, das immer stärker wird und immer höhere Forderungen an seine Umwelt stellen wird. Ich habe mir erlaubt, einige Zeilen an ihn zu schreiben, und bitte Dich, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Wenn es jemanden gibt, der zu Deiner Suche nach einer Erklärung für das, was Louise geschehen ist, eventuell etwas beitragen kann, dann ist er es. Ich hoffe, Du nimmst mir nicht übel, dass ich auf diese Weise versuche, Dir bei Deinen, wie ich sehe, aufrichtigen Bemühungen behilflich zu sein. Mit respektvollem Gruß. Håkan von Enke .
Wallander legte den Brief auf den Gartentisch. Dass Håkan von Enke einen Kontakt vermitteln wollte, war natürlich gut. Aber der Brief missfiel ihm dennoch. Das Gefühl, dass es etwas gab, was er nicht durchschaute, stellte sich wieder ein. Er las den Brief noch einmal, langsam, als versuchte er, durch ein Minenfeld voranzukommen. Briefe sollen gedeutet werden , hatte Rydberg einmal gesagt. Man muss wissen, was man tut, besonders wenn ein Brief Bedeutung für eine Ermittlung haben kann. Aber was gab es hier zu deuten? Da stand nichts zwischen den Zeilen. Wallander ging ins Haus zu seinem Computer und googelte den Namen George Talboth. Er erhielt eine Reihe von Treffern, doch nichts, was passte. Aus reinem Trotz gab er noch das Suchwort CIA ein und stieß bei den Antworten zu seiner Überraschung auf ein Kulinarisches Institut. Neben der richtigen CIA natürlich.
Er
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