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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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und die Rote Armee sich von einer Straßenecke zur anderen durch die Stadt herankämpfte. Talboth wohnte im obersten Stock in einer Sechszimmerwohnung.
    Er führte Wallander zu einem großen Schlafzimmer, dessen Fenster auf einen Park hinausgingen. »Ich werde dich jetzt einige Stunden allein lassen«, sagte Talboth. »Ich muss ein paar Dinge erledigen.«
    »Ich komme schon zurecht.«
    »Wenn ich zurück bin, haben wir unbegrenzt Zeit. Es gibt in der Nähe ein ausgezeichnetes italienisches Restaurant. Wir haben Zeit, uns zu unterhalten. Wie lange hast du vor zu bleiben?«
    »Nicht besonders lange. Eigentlich wollte ich morgen zurückfahren.«
    George Talboth schüttelte energisch den Kopf. »Kommt überhaupt nicht in Frage. Man besucht eine Stadt wie Berlin nicht für so kurze Zeit. Das ist eine Beleidigung dieser Stadt, die so viel von der tragischen Geschichte der Welt erlebt hat.«
    »Lass uns später darüber sprechen«, redete Wallander sich heraus. »Aber wie du selbst eben gesagt hast, haben auch alte Männer zuweilen noch das eine oder andere zu erledigen.«
    George Talboth gab sich mit der Antwort zufrieden und zeigte ihm das Badezimmer, die Küche und einen langgestreckten Balkon. Als er die Wohnung verlassen hatte, trat Wallander an ein Fenster und sah ihn wieder in den schwarzen Mercedes einsteigen. Er holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und trank es auf dem Balkon direkt aus der Flasche. Das war seine Art und Weise, sich von der Frau zu verabschieden, die er am Abend zuvor getroffen hatte. Jetzt würde sie für ihn höchstens noch als aufdringliche Erinnerung in seinen Träumen existieren. Von den Frauen, die er ernsthaft geliebt hatte, träumte er nicht. Die, mit denen er mehr oder weniger ungute Erlebnisse verband, kehrten oft in seinen Träumen wieder.
    Er dachte, dass er sich an das erinnerte, was er lieber vergessen wollte, und das vergaß, woran er sich erinnern sollte.Etwas an seiner Art zu leben war ganz und gar falsch. Ob es allen so ging? Wovon träumte Linda? Wovon träumte Martinsson? Oder wie sahen die Träume seines beflissenen Vorgesetzten Lennart Mattson aus?
    Er trank noch ein Bier, fühlte sich leicht angesäuselt und ließ sich ein Bad ein. Seine Stimmung hatte sich gebessert, als er aus der Wanne stieg.
     
    Zwei Stunden später kam George Talboth zurück. Sie setzten sich auf den Balkon, der jetzt im Schatten lag, und begannen miteinander zu sprechen.
    Da entdeckte Wallander einen kleinen Stein auf dem Balkontisch. Er war absolut sicher, den Stein zu kennen.

 
36
     
    Eine Frage verfolgte Wallander in der Zeit, die er mit George Talboth verbrachte. Hatte der Amerikaner gesehen, dass Wallander den Stein bemerkt hatte? Wallander war nicht sicher, wie es sich damit verhielt, als er am nächsten Tag zurückfuhr. Aber er glaubte verstanden zu haben, dass George Talboth ein Mann mit einem scharfen Blick war. Die Bewegungen hinter seinen Augen sind schnell, dachte Wallander. Sein Gehirn hat weder ein Leck, noch befindet es sich im Niedergang. Dass er kurzzeitig uninteressiert und fast apathisch wirken kann, darf man nicht als einen Mangel an Aufmerksamkeit missverstehen.
    Aber eins war sicher, der Stein, der von Håkan von Enkes Schreibtisch verschwunden war, lag jetzt auf George Talboths Balkon. Oder zumindest eine exakte Kopie.
     
    Der Gedanke an eine Kopie betraf auch den Mann selbst. Schon vor dem Motel hatte Wallander das Gefühl durchzuckt, George Talboth habe einen Doppelgänger. Nicht notwendigerweise jemanden, den er persönlich kannte. Sondern eher jemanden, den er gesehen hatte, ohne im Moment zu wissen, wo.
    Erst am Abend, unmittelbar bevor sie zum Essen gingen, fand Wallander die Antwort. Talboth glich dem Schauspieler Humphrey Bogart. Obwohl er viel größer war und nicht ständig eine Zigarette in seinem Mundwinkel hing. Aber es war nicht nur eine Ähnlichkeit im Aussehen, es gab auch etwas in der Stimme, das Wallander aus Filmen wie Der Schatz der Sierra Madre und African Queen zu kennen glaubte. Erfragte sich, ob Talboth sich dessen bewusst war, und vermutete, dass die Antwort ja lautete. George Talboth machte den Eindruck eines äußerst bewussten Menschen.
    Bevor sie sich auf den Balkon setzten, zeigte George Talboth, dass er auch Überraschungen aus dem Hut zaubern konnte. Er öffnete eine bis dahin geschlossene Tür in der Wohnung. Dahinter befand sich ein riesiges Aquarium mit schimmernden Fischen, ganze Schwärme in Rot und Blau, die sich lautlos hinter dem

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