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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Talboth kein Wort. Seine Äußerung hatte einen ganz bestimmten Sinn gehabt. Wallander hatte es nur nicht begriffen.
    Talboth wirkte rastlos, nicht so entspannt und ruhig wie am Vortag. »Ich möchte gern ein Foto von uns beiden zusammen machen«, sagte er. »Ich hole meine Kamera. Ein Gästebuch habe ich nicht. Aber wenn ich Besuch bekomme, mache ich immer ein Foto.«
    Er kam mit einem Fotoapparat zurück, den er auf der Armlehne eines Stuhls abstellte, dann drückte er auf den Selbstauslöser und setzte sich neben Wallander. Als das Bild gemacht war, nahm er den Apparat und machte noch ein Foto von Wallander allein. Wenig später verabschiedeten sie sich. Wallander hielt seine Jacke in der einen und den Wagenschlüssel in der anderen Hand.
    »Findest du selbst aus dieser großen Stadt heraus?«, fragte Talboth.
    »Mein Orientierungssinn ist nicht besonders gut. Aber früher oder später finde ich den richtigen Weg. Außerdem verfügt das Straßennetz deutscher Städte über eine beeindruckende Logik.«
    Sie schüttelten sich die Hand. Wallander trat auf die Straße und winkte zu Talboth hinauf, der auf dem Balkon am Geländer lehnte. Als er das Haus verließ, war Wallander aufgefallen, dass Talboth auf der Tafel mit den Namen der Bewohner fehlte. Stattdessen stand da »USG Enterprises«. Wallander merkte sich den Namen und fuhr davon.
    Es dauerte, wie er befürchtet hatte, fast zwei Stunden, bis er aus der Stadt herausgefunden hatte. Als er schließlich auf der Autobahn war, verpasste er die richtige Abfahrt und merkte zu spät, dass er auf direktem Weg zur polnischen Grenze war. Nach einigen Mühen gelang es ihm, umzukehrenund schließlich die nach Norden führende Autobahn zu erreichen. Als er an Oranienburg vorüberfuhr, fröstelte es ihn bei der Erinnerung an das, was dort geschehen war.
     
    Die weitere Heimfahrt verlief problemlos. Am Abend kam Linda zu Besuch. Klara war erkältet, und Hans passte auf sie auf. Am nächsten Tag sollte er nach New York fliegen.
    Es war ein warmer Abend, sie konnten draußen sitzen. Linda trank Tee.
    »Wie laufen denn seine Geschäfte?«, fragte Wallander, als sie nebeneinander in der Hollywoodschaukel saßen.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Linda. »Aber manchmal frage ich mich, was eigentlich los ist. Früher kam er nach Hause und erzählte von all den glänzenden Geschäften, die sie im Lauf des Tages gemacht hatten. Jetzt sagt er überhaupt nichts.«
    Ein paar Wildgänse flogen in V-Formation über sie hinweg. Schweigend betrachteten beide den Vogelzug, der nach Süden verschwand.
    »Jetzt schon Zugvögel?«, sagte Linda. »Ist das nicht zu früh?«
    »Sie machen vielleicht Start- und Formationsübungen«, sagte Wallander.
    Linda musste lachen. »So einen Kommentar hätte auch Großvater von sich geben können. Weißt du, dass du ihm immer ähnlicher wirst?«
    Wallander wies das von sich. »Dass er Humor hatte, wissen wir beide. Aber er konnte auch gemein sein, viel gemeiner, als ich es mir je erlauben würde.«
    »Ich glaube nicht, dass er gemein war«, sagte Linda mit Nachdruck. »Ich glaube, er hatte Angst.«
    »Wovor denn?«
    »Vielleicht davor, alt zu werden. Zu sterben. Ich glaube, er versteckte das hinter dieser Bosheit, die oft nur aufgesetzt war.«
    Wallander erwiderte nichts. Er fragte sich, ob sie es ernst meinte, dass sie sich so ähnlich waren. Dass auch bei ihm die Angst zu sterben spürbar war.
    »Morgen fahren wir beide und besuchen Mona«, sagte Linda plötzlich.
    »Wieso das?«
    »Weil sie meine Mutter ist und weil du und ich ihre nächsten Angehörigen sind.«
    »Sie hat doch diesen psychopathischen ICA-Händler, der sie besuchen kann.«
    »Hast du nicht mitgekriegt, dass es mit den beiden aus ist?«
    »Nein. Aber ich weigere mich trotzdem, mitzufahren.«
    »Und warum?«
    »Ich will nichts mehr mit Mona zu tun haben. Jetzt, wo Baiba tot ist, kann ich ihr noch weniger verzeihen, was sie über sie gesagt hat.«
    »Eifersüchtige Menschen sagen eifersüchtige Dummheiten. Mona hat mir erzählt, was du von dir gegeben hast, wenn du eifersüchtig warst.«
    »Sie lügt.«
    »Nicht immer.«
    »Ich komme nicht mit. Ich will nicht.«
    »Aber ich will. Und ich glaube vor allem, dass Mama es will. Du kannst sie nicht einfach ausstreichen.«
    Wallander sagte nichts mehr. Weitere Proteste waren sinnlos. Wenn er nicht tat, was sie sagte, würde ihr Ärger ihr Verhältnis für lange Zeit unerträglich machen. Das wollte er nicht. »Ich weiß nicht einmal, wo diese

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