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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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mit Mona. Auch ihr hätte er die Frage stellen können: Was ist aus deinem Leben geworden?Jetzt stand sie hier, grau, niedergeschlagen und zitternd, und sie war Kräften ausgeliefert, die stärker waren als sie.
    »Es ist Zeit für meine Behandlung«, sagte sie. »Vielen Dank, dass ihr gekommen seid. Es ist nicht leicht, was ich hier durchmache.«
    »Wie sieht denn die Behandlung aus?«, fragte Wallander in einem tapferen Versuch, sich interessiert zu zeigen.
    »Jetzt gleich wartet ein Gespräch mit einem Arzt. Er heißt Torsten Rosén. Er hat selbst Alkoholprobleme gehabt. Ich muss mich beeilen.«
    Sie trennten sich draußen im Hof. Linda und Wallander fuhren schweigend nach Hause. Er dachte, dass sie noch unangenehmer berührt war als er. Sie hatte ein immer intensiveres Verhältnis zu ihrer Mutter bekommen, nachdem die schwierigen Teenagerjahre vorbei waren.
    »Ich bin froh, dass du mitgekommen bist«, sagte Linda, als sie ihn absetzte.
    »Du hast mir ja kaum eine Wahl gelassen«, antwortete er. »Aber natürlich war es wichtig, dass ich sehen konnte, wie es ihr geht und was sie durchmacht. Die Frage ist nur: Wird sie es schaffen?«
    »Ich weiß nicht. Ich kann es nur hoffen.«
    »Ja«, sagte Wallander. »Das ist am Ende alles, was bleibt, die Hoffnung.«
    Durch das offene Seitenfenster strich er ihr rasch übers Haar. Sie wendete und fuhr davon. Wallander sah ihr nach, bis der Wagen verschwunden war.
    Ihm war beklommen zumute. Er ließ Jussi aus dem Zwinger und saß eine Zeitlang da und kraulte ihn hinter den Ohren. Erst dann schloss er die Haustür auf.
     
    Er spürte sofort, dass jemand im Haus gewesen war. Seine Vorsicht zahlte sich jetzt aus. Eine der kleinen Warnmarkierungen, die er angebracht hatte, war nicht mehr an ihrem Platz. Im Fenster neben der Haustür hatte jemand einenkleinen Kerzenhalter, den er in die Mitte vor den Griff des geteilten Fensters gestellt hatte, verrückt. Jetzt stand der von einem Kupferring umschlossene Leuchter tiefer in der Fensternische, links vom Griff. Wallander verharrte reglos und hielt den Atem an. Konnte er sich irren? Nein, er war sicher. Als er das Fenster eingehender untersuchte, entdeckte er, dass es von außen mithilfe eines schmalen und spitzen Gegenstands geöffnet worden war, vermutlich mit einem Werkzeug, wie Autodiebe es benutzten, um Autotüren aufzubrechen.
    Vorsichtig hob er den Leuchter an, untersuchte ihn und stellte ihn wieder ab. Dann ging er langsam durchs Haus. Er fand keine anderen Spuren. Sie sind vorsichtig, dachte er. Vorsichtig und geschickt. Der Leuchter war eine zufällige Nachlässigkeit.
    Er setzte sich an den Küchentisch und betrachtete den Kerzenhalter im Flur. Wahrscheinlich gab es nur eine einzige Erklärung dafür, dass Unbekannte in sein Haus eingedrungen waren.
    Jemand war überzeugt, dass er über ein Wissen verfügte, von dem er selbst nichts wusste. Ein Wissen, das auf seinen Notizen oder sogar Gegenständen in seinem Besitz beruhte.
    Er saß auf dem Stuhl und rührte sich nicht. Ich nähere mich, dachte er. Oder jemand nähert sich mir.

 
38
     
    Am nächsten Morgen wurde er von Träumen aus dem Schlaf gerissen, an die er sich nicht erinnerte. Vielleicht waren es wieder die galoppierenden Pferde gewesen, vielleicht etwas anderes, er wusste es nicht. Der Leuchter stand im Fenster und erinnerte ihn daran, dass jemand in seiner Nähe war. Er ging nackt auf den Hof hinaus, zunächst um zu pinkeln, dann um Jussi aus dem Zwinger zu lassen. Ein erster herbstlicher Nebel trieb über die Äcker. Er fröstelte und beeilte sich, wieder ins Haus zu kommen. Er zog sich an, machte Kaffee und setzte sich an den Küchentisch, entschlossen, noch einmal zu versuchen, Licht in das Dunkel um Louise von Enkes Tod zu bringen. Ihm war klar, dass er bestenfalls eine provisorische Erklärung finden würde. Aber vielleicht könnte er die Ursache für das ständig nagende Gefühl finden, er habe etwas übersehen. Das Gefühl war durch die Gewissheit, dass er wieder Besuch in seinem Haus gehabt hatte, nicht geringer geworden. Kurz gesagt: Er hatte nicht die Absicht, aufzugeben.
    An diesem Morgen fiel es ihm jedoch schwer, sich zu konzentrieren. Nach einigen Stunden gab er auf, raffte seine Papiere zusammen und fuhr ins Polizeipräsidium. Er wählte wieder den Eingang durch die Garage und gelangte ungesehen zu seinem Zimmer. Nachdem er eine halbe Stunde über den Papieren gegrübelt hatte, lugte er aus der Tür auf den leeren Korridor hinaus und ging zum

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