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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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empfand plötzlich etwas wie Neid angesichts von Atkins’ funkelnd weißem Gebiss. Nach dem Essen rief er im Präsidium an und meldete sich für den Rest des Tages ab. Dann fuhren sie zu seinem Haus, Wallander spielte denFührer. Atkins erwies sich als großer Hundefreund, was Jussi sogleich zu schätzen wusste. Sie machten einen langen Spaziergang, Jussi blieb angeleint. Sie liefen an Äckern entlang, hielten hier und da inne und bewunderten das Meer und die wogende Landschaft.
    Plötzlich wandte sich Atkins Wallander zu, biss sich auf die Lippen und fragte: »Ist Håkan tot?«
    Wallander verstand seine Absicht. Atkins hatte die Frage abgefeuert, damit Wallander sich nicht hinter einer Antwort verbergen konnte, die unwahr oder ausweichend war. Er wollte eine klare Auskunft. In dem Augenblick war er der U-Boot-Kommandant, der eine Antwort auf die Frage haben wollte, ob ein Schiff verloren war oder nicht.
    »Wir wissen es nicht. Er ist spurlos verschwunden.«
    Atkins betrachtete ihn lange und nickte zögernd. Sie gingen weiter, kamen nach einer halben Stunde wieder zum Haus. Wallander machte Kaffee. Sie setzten sich an den Küchentisch.
    »Sie haben von Ihrem letzten Telefongespräch erzählt«, sagte Wallander. »Warum sagt einer, er sei zu einer Schlussfolgerung gekommen, wenn derjenige, mit dem er spricht, keine Ahnung hat, worum es geht?«
    »Manchmal glaubt man, ein anderer Mensch wisse, was man denkt«, sagte Atkins. »Vielleicht glaubte Håkan, ich wüsste, was er meinte.«
    »Sie müssen viele Gespräche geführt haben. Gab es ein wiederkehrendes Thema? Eins, das wichtiger war als alle anderen?«
    Wallander hatte seine Fragen nicht vorbereitet. Sie kamen sehr leicht, wie selbstverständlich.
    »Wir waren gleichaltrig«, sagte Atkins. »Wir waren beide Kinder des Kalten Krieges. The cold war. Ich war dreiundzwanzig, als die Russen ihren Sputnik starteten. Entsetzt darüber, daran erinnere ich mich, dass sie im Begriff waren, uns zu überholen. Håkan erzählte einmal, dass er es ähnlicherlebt habe, aber unschuldiger, nicht so alptraumhaft. Die Russen waren da, aber sie waren für ihn nicht die gleichen Monster wie für mich. Dennoch waren wir ganz von jener Zeit geprägt. Ich weiß, dass Håkan darüber empört war, dass Schweden nicht der Nato beitrat. Er hielt es für eine katastrophale Fehleinschätzung. Er war der Meinung, die Neutralität sei nicht nur gefährlich und ein Fehler, sondern Heuchelei. Wir standen auf der gleichen Seite. Schweden befand sich nicht in einer Art neutralem Niemandsland, was immer die Politiker an ihren Rednerpulten behaupteten. Als der schwedische Spion Wennerström entlarvt wurde, rief Håkan an, ich weiß es noch wie heute. Es war im Juni 1963. Ich war Erster Offizier auf einem U-Boot, wir sollten gerade in den Stillen Ozean auslaufen. Håkan war nicht empört, dass dieser Oberst Verrat begangen und für die Russen spioniert hatte. Er jubelte! Endlich würde das schwedische Volk begreifen, was los war. Die Russen infiltrierten alles, was die schwedische Verteidigungsmacht aufgebaut hatte. Die Überläufer saßen überall, nur ein Anschluss an die Nato würde Schweden noch retten können, wenn die Russen eines Tages beschlossen, zuzuschlagen. Sie fragen, ob es wiederkehrende Themen in unseren Gesprächen gab? Das war die Politik, darüber sprachen wir ständig. Nicht zuletzt darüber, wie die Politiker unsere Möglichkeiten, das Gleichgewicht gegenüber den Russen zu halten, beschnitten. Es gab eigentlich kein Gespräch zwischen uns, das nicht politische Überlegungen beinhaltete.«
    »Wenn es nun so war, dass die Politik Ihre Gespräche bestimmte«, sagte Wallander. »Was für eine Schlussfolgerung kann er dann gemeint haben? War es früher schon vorgekommen, dass er Schlussfolgerungen zog, die ihn jubeln ließen?«
    »Ich glaube nicht. Aber wir kannten uns fast fünfzig Jahre. Viele Erinnerungsbilder sind natürlich verblasst.«
    »Wie sind Sie sich begegnet?«
    »Auf die gleiche Art, wie alle wichtigen Begegnungen stattfinden. Durch einen großen und wunderlichen Zufall.«
    Es hatte zu regnen angefangen, als Atkins von seiner ersten Begegnung mit Håkan von Enke berichtete. Er war ein bedeutend faszinierenderer Erzähler als der Mann, mit dem Wallander in jenem fensterlosen Raum des Festlokals in Djursholm gesprochen hatte. Aber vielleicht liegt es auch an der Sprache, dachte Wallander. Immer kommt es mir so vor, als wären Erzählungen auf Englisch reicher oder gewichtiger

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