Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Signe?«
»Ja.«
»Wissen Sie, wann sie geboren ist?«
Sten Nordlander dachte einen Moment nach. »Sie ist wohl fast zehn Jahre älter als ihr Bruder. Ich glaube, sie haben einen so schweren Schock erlitten, als sie geboren wurde, dass es lange dauerte, bis sie es wagten, ein weiteres Kind zu haben.«
»Dann ist sie jetzt über vierzig Jahre alt«, sagte Wallander. »Wissen Sie, wo sie lebt? In welchem Pflegeheim oder in welcher Anstalt?«
»Håkan erwähnte einmal ein Heim in der Nähe von Mariefred. Aber einen Namen habe ich nie gehört.«
Wallander beeilte sich, das Gespräch zu beenden. Es kam ihm vor, als stünde er unter Zeitdruck, obwohl er eigentlich nichts mit der Angelegenheit zu tun hatte. Er wollte als Erstes Ytterberg benachrichtigen. Aber seine Neugier trieb ihn in eine andere Richtung. Er musste einen Moment in seinem hoffnungslos sudeligen Telefonverzeichnis blättern, bis er die gesuchte Handynummer fand. Es war die Nummer einer Frau, die bei der Sozialbehörde der Gemeinde Ystad arbeitete. Sie war die Tochter eines früheren Zivilangestelltenim Polizeipräsidium. Wallander hatte sie vor einigen Jahren kennengelernt, als er gegen einen Pädophilenring ermittelte. Sie hieß Sara Amander und meldete sich fast sofort. Sie wechselten ein paar Worte über das Wetter und den Lauf der Welt, bevor Wallander zu seinem Anliegen kam. »Eine staatliche Anstalt für Behinderte in der Nähe von Mariefred. Vielleicht gibt es mehr als eine? Ich brauche Anschriften und Telefonnummern.«
»Kannst du etwas mehr sagen? Geht es um einen angeborenen Hirnschaden?«
»Vor allem physische Einschränkungen, glaube ich. Ein Kind, das von seinem ersten Lebenstag an Pflege brauchte. Aber es kann natürlich auch einen psychischen Defekt geben. Wahrscheinlich wäre es ein Vorteil für einen stark behinderten Menschen, wenn er sich nicht unbedingt klar darüber ist, welch elendes Leben er lebt.«
»Wir sollten vorsichtig sein, wenn wir uns über das Leben anderer Menschen äußern«, sagte Sara Amander. »Es gibt Menschen mit schweren Behinderungen, deren Leben erstaunlich viel Freude beinhaltet. Aber ich will sehen, was ich tun kann.«
Wallander legte auf, holte Kaffee am Automaten und wechselte einige Worte mit Kristina Magnusson, die ihn daran erinnerte, dass die Kollegen am nächsten Abend bei ihr im Garten ein improvisiertes Sommerfest feiern würden. Wallander hatte es natürlich vergessen, sagte aber, er werde selbstverständlich dabei sein.
Er ging zurück in sein Büro und schrieb einen großen Merkzettel, den er neben das Telefon legte.
Nach ein paar Stunden rief Sara Amander zurück. Sie hatte zwei Vorschläge. Im ersten Fall handelte es sich um ein privates Pflegeheim mit Namen Amalienborg ganz in der Nähe von Mariefred. Das zweite Heim, Niklasgården, war staatlich und lag in der Nähe von Schloss Gripsholm.
Wallander notierte die Adressen und Telefonnummernund wollte gerade die erste Nummer wählen, als Martinsson in der halboffenen Tür auftauchte. Wallander legte den Hörer wieder auf und nickte ihm zu, hereinzukommen. Martinsson verzog das Gesicht.
»Was ist?«
»Eine Partie Poker, die aus dem Ruder gelaufen ist. Ein Krankenwagen hat soeben einen durch Messerstiche verletzten Mann ins Krankenhaus gefahren. Wir haben schon eine Streife da. Aber wir beide müssen wohl hinfahren.«
Wallander nahm seine Jacke und folgte Martinsson nach draußen. Es dauerte bis in den Abend, zu klären, was bei der Pokerpartie, die in brutale Gewalttätigkeit ausgeartet war, passiert war. Erst nach seiner Rückkehr ins Präsidium gegen acht Uhr konnte Wallander die Nummern anrufen, die Sara Amander ihm gegeben hatte.
Er begann mit Amalienborg. Eine freundliche Frau meldete sich. Noch während er seine Frage stellte, fiel ihm ein, dass er einen Denkfehler gemacht hatte. Er würde keine Auskunft bekommen. Eine Anstalt für schwer kranke Menschen durfte die Namen ihrer Patienten nicht an Wildfremde aus der Hand geben.
Das war auch die Antwort, die er erhielt. Er bekam auch keine Antwort auf seine anderen Fragen, ob es sich um Patienten unterschiedlicher Altergruppen oder nur um Erwachsene handelte. Die freundliche Frau fuhr geduldig fort, ihm zu erklären, dass sie ihm keine Auskünfte erteilen dürfe. Sie könne ihm leider nicht helfen, so gern sie es auch täte.
Wallander legte auf und dachte, dass er jetzt Ytterberg anrufen sollte. Doch es gab keinen zwingenden Grund, ihn um diese Tageszeit zu stören. Das Gespräch
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