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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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näherten.

 
15
     
    Einige Tage vor Mittsommer fuhr Wallander an der Ostküste entlang nach Norden. Hinter Västervik wäre er um ein Haar mit einem Elch zusammengestoßen. Er erreichte mit pochendem Herzen einen Parkplatz und dachte an Klara, bevor er in der Lage war, weiterzufahren. Die Straße führte an einem Rasthaus vorbei, in dem er vor vielen Jahren, erschöpft und übermüdet, in einem Hinterzimmer hatte schlafen dürfen. In den seitdem vergangenen Jahren hatte er mehrmals mit wehmütiger Sehnsucht an die Frau gedacht, die das Rasthaus betrieben hatte. Als er es erreichte, bremste er und fuhr auf den Parkplatz. Aber er stieg nicht aus. Unschlüssig saß er da, die Hände fest ums Lenkrad geschlossen. Dann fuhr er weiter nach Norden.
    Ihm war klar, warum er floh. Er fürchtete, dass jemand anderes dort an der Kasse und am Kaffeeautomaten stehen würde und dass er zur Kenntnis nehmen müsste, wie auch in diesem Café die Zeit verronnen war. Er könnte nie wieder zurückkehren zu dem, was jetzt so weit hinter ihm lag.
    Er erreichte den Hafen von Fyrudden schon gegen elf Uhr, weil er wie üblich viel zu schnell gefahren war. Als er aus dem Wagen stieg, sah er, dass das Lagergebäude von dem Foto noch existierte, auch wenn es jetzt umgebaut war und Fenster hatte. Aber die Fischkisten waren fort, ebenso der große Trawler, der am Kai gelegen hatte. Das Hafenbecken war jetzt voller Sportboote. Wallander parkte beim roten Haus der Küstenwache, bezahlte die Parkgebühr im Laden für Schiffszubehör und wanderte zur äußersten Spitze der Pier hinaus.
    Die Reise war ein Vabanquespiel, dachte er. Er hatte Eskil Lundberg nicht vorgewarnt, dass er kommen würde. Hätte er von Schonen aus angerufen, hätte Lundberg sich ganz sicher geweigert, ihn zu treffen. Aber wenn er hier auf dem Kai stand? Er setzte sich auf eine Holzbank neben dem Schiffsausrüster und wählte die Nummer. Jetzt ging es auf Biegen oder Brechen. Hätte er ein Adelswappen mit Inschrift gehabt, hätte er ebendiese Worte, auf Biegen oder Brechen , zu seinem Signum und Wahlspruch gemacht. So war es in seinem Leben immer gewesen. Er wählte die Nummer und hoffte das Beste.
    Lundberg meldete sich.
    »Hier ist Wallander. Wir haben vor ungefähr einer Woche miteinander gesprochen.«
    »Was wollen Sie?«
    Falls er verwundert war, verbarg er es gut, dachte Wallander. Lundberg gehörte offenbar zu den beneidenswerten Menschen, die immer bereit waren und damit rechneten, dass alles Erdenkliche passieren konnte, dass irgendwer am anderen Ende der Leitung sein konnte, ein König oder ein Idiot, oder warum nicht ein Polizist aus Ystad.
    »Ich bin in Fyrudden«, fuhr Wallander fort und nahm den Stier bei den Hörnern. »Ich hoffe, Sie haben Zeit, mich zu treffen.«
    »Warum sollte ich jetzt mehr zu sagen haben als bei unserem letzten Gespräch?«
    In diesem Augenblick war Wallander, mit seiner gesammelten polizeilichen Erfahrung, sicher. Lundberg hatte wirklich mehr zu erzählen.
    »Ich habe das Gefühl, dass wir uns unterhalten sollten«, sagte er.
    »Ist das eine Art und Weise, mir zu sagen, dass Sie mich verhören wollen?«
    »Ganz und gar nicht. Ich möchte nur mit Ihnen reden, Ihnen das Foto zeigen, das ich gefunden habe.«
    Lundberg überlegte. »Ich hole Sie in einer Stunde ab«, sagte er schließlich.
    Die Wartezeit verbrachte Wallander in der Cafeteria, wo er eine gute Aussicht auf den Hafen, die Inseln und das dahinterliegende offene Meer hatte. Auf einer hinter Glas an der Wand der Cafeteria angebrachten Seekarte hatte er gesehen, dass Bokö im Süden lag. Auf Boote, die aus dieser Richtung kamen, achtete er besonders. Er hatte sich vorgestellt, dass das Boot eines Fischers auf jeden Fall äußerlich an Sten Nordlanders hölzernen Spitzgatter erinnern würde. Aber damit lag er völlig falsch. Eskil Lundberg kam in einem offenen Kunststoffboot mit Außenborder, das mit Plastikeimern und Netzkörben gefüllt war. Er legte am Kai an und sah sich um. Wallander suchte seinen Blick. Erst als er vorsichtig an Bord gestiegen war und beinah auf den schlüpfrigen Bodenplanken ausgeglitten und gestürzt wäre, gaben sie sich die Hand.
    »Ich dachte, wir fahren nach Hause«, sagte Lundberg. »Hier sind zu viele unbekannte Leute für meinen Geschmack.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, legte er den Rückwärtsgang ein und fuhr, Wallanders Ansicht nach viel zu schnell, aus der Hafeneinfahrt. Ein Mann in der Plicht eines vertäuten Segelboots betrachtete ihr Rasen mit

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