Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Enkel. Keiner begreift irgendetwas.«
»Kann es um Geld gegangen sein?«
»Den Nachbarn zufolge waren sie sparsam und geizig. Wie viel sie haben, weiß ich noch nicht. Die Bank untersucht es. Aber wir können davon ausgehen, dass es nicht wenig ist.«
»Es sieht nach einem Kampf aus«, sagte Wallander. »Er hat sich gewehrt. Bevor wir nicht die Frau gefunden haben, können wir nicht sagen, wie stark sie verletzt war.«
»Der Sumpf ist nicht groß«, sagte Martinsson. »Sie werden sie im Laufe des Tages finden.«
Sie verließen den trostlosen und unwirtlichen Ort des Verbrechens und kehrten ins Präsidium zurück. Wallander hatte das Empfinden, als verwandelte sich die sommerliche Landschaft für einen Augenblick in ein Schwarzweißbild. Nachdem er eine Weile auf dem Stuhl gekippelt hatte, wählte er erneut Eskil Lundbergs Nummer. Diesmal meldete sich seine Frau und sagte ihm, ihr Mann sei mit dem Boot draußen. Im Hintergrund hörte Wallander kleine Kinder. Er nahm an, dass Eskil Lundberg der Junge war, den er auf dem Foto gesehen hatte.
»Ich vermute, er ist zum Fischen«, sagte er.
»Was sollte er denn sonst tun? Er hat anderthalb Kilometer Netze im Wasser. Er liefert jeden zweiten Tag nach Söderköping.«
»Aal?«
Sie klang fast gekränkt, als sie antwortete. »Wenn er Aal finge, hätte er Reusen. Aber es gibt keinen Aal. Es gibt bald überhaupt keinen Fisch mehr.«
»Hat er das Boot noch?«
»Welches?«
»Den großen Trawler. NRG 123.«
Wallander spürte, dass sie beinahe misstrauisch wurde. »Den hat er schon vor langer Zeit zu verkaufen versucht. Aber niemand wollte das Mistding haben. Er ist verrottet. Den Motor hat er für hundert Kronen verkauft. Was wollen Sie denn von ihm?«
»Reden«, sagte Wallander freundlich. »Hat er ein Handy mit?«
»Da draußen ist die Verbindung sehr schlecht. Am besten rufen Sie in zwei Stunden an, dann ist er zu Hause.«
»Dann tu ich das.«
Es gelang ihm, das Gespräch zu beenden, bevor sie noch einmal fragen konnte, was er wollte. Er lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Tisch. Jetzt hatte er keine Besprechungen, keine Aufgaben, die seine Anwesenheit erforderlich machten. Er nahm seine Jacke und verließ das Polizeipräsidium, sicherheitshalber nahm er den Weg durch die Garage, damit ihn keiner im letzten Moment noch abfangen konnte. Er spazierte zur Stadt hinunter und fühlte plötzlich eine Leichtigkeit in seinen Bewegungen. Er war trotz allem noch nicht so alt, dass alles vorbei war. Die Sonne und die Wärme machten alles erträglicher.
Nicht weit vom Marktplatz aß er zu Mittag, las Ystads Allehanda und eine Abendzeitung. Dann setzte er sich auf eine Bank am Marktplatz. Es war noch eine Viertelstunde bis zum Ende der Wartezeit. Er fragte sich, wo Håkan und Louise sich gerade befanden. Lebten sie, oder waren sie tot? Hatten sie sich abgesprochen und gemeinsam ihr Verschwinden inszeniert? Er dachte zurück an den Fall des Spions Bergling, aber es fiel ihm schwer, Ähnlichkeiten zwischen dem ernsten Korvettenkapitän und dem eitlen Bergling zu finden.
Wallander ließ auch einem anderen Gedanken freien Lauf, der, wie er widerwillig einsehen musste, entscheidende Bedeutung haben konnte. Håkan von Enke hatte regelmäßig seine Tochter besucht. War er wirklich bereit, sie zu verraten, indem er abtauchte? Die Schlussfolgerung war, dass von Enke tot war.
Es gab natürlich auch eine andere Möglichkeit, dachte Wallander, während er abwesend den Menschen zusah, die an einem Marktstand zwischen Langspielplatten wühlten. Von Enke hatte Angst gehabt. Konnte es sein, dass derjenige oder diejenigen, vor denen er sich fürchtete, ihn eingeholt hatten? Es gab keine Antworten, nur Fragen, die er so deutlich und exakt wie möglich formulieren musste.
Als die zwei Stunden um waren, rief er in Bokö an. Während er wählte, setzte sich ein leicht betrunkener Mann auf das andere Ende der Bank. Nach mehrmaligem Klingeln meldete sich eine Männerstimme. Wallander hatte sich vorgenommen, ganz deutlich zu sein. Er sagte seinen Namen und dass er Polizist sei.
»Ich habe in einer Mappe, die einem Mann namens Håkan von Enke gehört, eine Fotografie gefunden. Kennen Sie den Mann?«
»Nein.«
Die Antwort kam prompt und bestimmt. Wallander hatte den Eindruck, dass Lundberg auf der Hut war.
»Kennen Sie seine Frau? Louise?«
»Nein.«
»Irgendwie müssen Ihre Wege sich dennoch gekreuzt haben. Warum hätte er sonst ein Foto von Ihnen und einem anderen Mann, ich
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