Wallander 09 - Der Feind im Schatten
sind ihre zukünftigen Schwiegereltern.«
Eskil Lundberg nickte. Er schien Wallander plötzlich mit weniger Misstrauen zu betrachten. »Ich bin von der Insel fortgezogen, als ich die Schule abgeschlossen hatte. In der Nähe von Kalmar bekam ich Arbeit in einem Eisenwerk. Da wohnte ich ein Jahr. Dann kam ich wieder nach Hause und fischte. Aber mein Vater und ich kamen nicht gut miteinander aus. Wenn man nicht so wollte wie er, wurde er zornig. Ich fuhr wieder weg.«
»Zurück ins Eisenwerk?«
»Genau, nach Osten. Nach Gotland. Ich arbeitete zwanzig Jahre in der Zementfabrik in Slite, bis es meinem Vater schlechter ging. Da traf ich auch meine Frau. Wir bekamen zwei Kinder. Wir kehrten zurück, als er nicht mehr konnte. Meine Mutter war gestorben, meine Schwester lebte in Dänemark, also waren wir die Einzigen, die das hier übernehmen konnten. Wir haben einen großen Besitz, Land, Fischereigewässer, sechsunddreißig kleine Inseln, eine Unzahl von Klippen.«
»Das bedeutet, dass Sie Anfang der achtziger Jahre nicht hier waren?«
»Ein paar Wochen im Sommer, sonst nicht.«
»Ist es denkbar, dass Ihr Vater während dieser Zeit Kontaktzu einem Marineoffizier hatte? Ohne dass Sie davon wussten?«
Eskil Lundberg schüttelte energisch den Kopf. »Es passt nicht zu ihm. Er war der Meinung, dass es Abschussprämien für Angehörige der schwedischen Marine geben sollte, Wehrpflichtige wie Berufssoldaten. Besonders Kapitäne.«
»Warum das?«
»Sie waren rücksichtslos bei ihren Manövern. Wir haben eine Anlegebrücke auf der anderen Seite, wo der Trawler lag. Zwei Herbste hintereinander wurde der Anleger durch den Wellenschlag von den Militärschiffen zerstört, die Senkpontons wurden losgerissen. Und sie bezahlten nicht für die Schäden. Mein Alter schrieb Briefe und beschwerte sich, aber nichts passierte. Mehrfach warf die Besatzung Küchenabfälle in Brunnen draußen auf den Inseln. Wenn man weiß, was ein Brunnen für die Inselbewohner bedeutet, tut man so etwas nicht. Aber es gab auch noch Schlimmeres.«
Eskil Lundberg schien plötzlich wieder zu zögern. Wallander wartete und drängte ihn nicht, ganz der geduldige Fuchs, der er war.
»Kurz vor seinem Tod erzählte er mir von einem Vorfall Anfang der achtziger Jahre«, fuhr Eskil Lundberg fort. »Er war damals bettlägerig. Er war nicht mehr so bösartig, kann man sagen, hatte wohl eingesehen, dass trotz allem ich derjenige war, der nach ihm den Hof übernehmen würde.«
Eskil Lundberg stand auf und verließ das Zimmer. Wallander dachte schon, dass er doch nicht mehr sagen würde, als er mit ein paar alten Kalendern zurückkam.
»September 1982«, sagte er. »Dies sind seine Kalender. Er hat die Fangmengen und das Wetter aufgeschrieben. Aber auch, wenn etwas Besonderes passierte. Am neunzehnten September war das tatsächlich der Fall.«
Er reichte den Kalender über den Tisch und zeigte auf das Datum. Mit säuberlicher Schrift stand da: Fast unter Wasser gezogen .
»Was hat er damit gemeint?«
»Das erzählte er, als er da in der Kammer lag und nicht mehr lange zu leben hatte. Zuerst dachte ich, er sei senil und verwirrt. Aber es war allzu detailliert, um nicht wahr zu sein. Er hatte es sich nicht eingebildet.«
»Erzählen Sie von Anfang an«, sagte Wallander. »Genau dieser Herbst 1982 interessiert mich.«
Eskil Lundberg schob die Tasse zur Seite, als brauchte er Platz, um erzählen zu können.
»Er lag mit dem Boot östlich von Gotland und fischte, als es passierte. Plötzlich war es, als ob das Boot abrupt gestoppt würde. Es gab einen Ruck im Netz, und das Schiff bekam Schlagseite. Er begriff nicht, was passiert war, es sei denn, es hätte sich etwas im Netz verfangen. Da war er auf der Hut, weil er, als er jung gewesen war, mal Gasgranaten ins Netz bekommen hatte. Er und die beiden anderen, die an Bord waren, versuchten sich loszuschneiden. Aber da merkten sie, dass das Boot sich gedreht hatte und das Schleppnetz freigekommen war. Jetzt gelang es ihnen, es einzuholen. Sie zogen einen Stahlzylinder an Bord, der ungefähr einen Meter lang war. Es war keine Granate oder Mine, eher ein Maschinenteil von einem Schiff. Der Stahlzylinder war schwer und sah aus, als hätte er lange im Wasser gelegen. Sie versuchten herauszufinden, was es war, aber ohne Erfolg. Als sie nach Hause kamen, untersuchte mein Alter den Zylinder genauer, aber er konnte sich keinen Reim darauf machen, wozu er benutzt worden war. Er ließ ihn irgendwo liegen und machte sich daran,
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