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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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deutlicher Missbilligung. Das Geräusch des Motors war so laut, dass eine Unterhaltung kaum möglich war. Wallander hatte sich ganz vorn in den Bug gesetzt und sah bewaldete Inseln und kahle Klippen vorbeigleiten. Sie fuhren durch einen Sund, dessen Namen Wallander auf der Seekarte an der Cafeteria als Halsösund ausgemacht hatte, und wandten sich schließlich nach Süden. Die Inseln lagen immer noch dicht beieinander, nur für kurze Augenblicke konnte man das offene Meer sehen. Lundberg trug abgeschnittene Hosen, Stiefel mit heruntergeklapptem Schaft und ein T-Shirt mit der etwas verblüffenden Aufschrift »Ich verbrenne meinen Abfall selbst«.Wallander schätzte sein Alter auf fünfzig Jahre, vielleicht etwas älter. Das konnte zum Alter des Jungen auf dem Foto passen.
    Sie bogen in eine Bucht mit Eichen und Birken ein und legten an einem rot gestrichenen Bootshaus an, das nach Teer duftete. Schwalben flogen ein und aus. Vor dem Bootshaus standen zwei große Räucheröfen.
    »Ihre Frau hat gesagt, es gebe keinen Aal mehr«, sagte Wallander. »Ist es wirklich so schlimm?«
    »Es ist schlimmer«, sagte Lundberg. »Es gibt bald überhaupt keinen Fisch mehr. Hat sie das nicht gesagt?«
    Das rote Wohnhaus mit einem Obergeschoss befand sich in einer Senke ungefähr hundert Meter vom Wasser. Hier und da lag Plastikspielzeug verstreut. Lundbergs Frau Anna wirkte bei der Begrüßung ebenso reserviert, wie sie sich am Telefon angehört hatte.
    Die Küche duftete nach gekochten Kartoffeln und Fisch, aus einem leise gestellten Radio klang kaum hörbare Musik. Anna Lundberg stellte eine Kaffeekanne auf den Tisch und ging nach draußen. Sie war im gleichen Alter wie ihr Mann, und irgendwie glichen sie sich auch im Aussehen.
    Aus einem anderen Zimmer kam ein Hund in die Küche. Ein schöner Cockerspaniel, dachte Wallander und streichelte ihn, während Lundberg Kaffee einschenkte.
    Wallander legte das Foto aufs Wachstuch. Lundberg zog eine Brille aus der Brusttasche. Er blickte kurz auf das Foto und schob es dann von sich.
    »Das muss 1968 oder 1969 gewesen sein. Im Herbst, glaube ich mich zu erinnern.«
    »Und jetzt finde ich es unter den Papieren Håkan von Enkes?«
    Lundberg sah ihm starr in die Augen. »Ich weiß nicht, wer der Mann ist.«
    »Ein hoher Offizier der schwedischen Marine. Korvettenkapitän. Kann Ihr Vater ihn gekannt haben?«
    »Das ist natürlich möglich. Aber ich bezweifle es trotzdem.«
    »Warum?«
    »Er hatte nicht viel übrig für Militärs.«
    »Sie sind mit auf dem Bild.«
    »Ich kann Ihnen auf Ihre Fragen keine Antwort geben. Selbst wenn ich es wollte.«
    Wallander beschloss, an einem anderen Punkt anzusetzen, und begann noch einmal von vorn. »Sind Sie hier auf der Insel geboren?«
    »Ja. Und mein Vater auch. Ich bin die vierte Generation.«
    »Wann starb er?«
    »1994. Er erlitt einen Schlaganfall im Boot, als er bei den Netzen draußen war. Als er nicht nach Hause kam, rief ich die Küstenwache an. Lasse Åman fand ihn. Er lag im Boot und trieb auf Björkskär zu. Er lebte noch, aber danach kam er nie wieder auf die Beine, der Alte.«
    Wallander bemerkte einen Tonfall, der nicht auf ein durch und durch glückliches Verhältnis zwischen Vater und Sohn schließen ließ.
    »Haben Sie immer hier gewohnt? Während Ihr Vater lebte?«
    »Das wäre nicht gegangen. Man kann nicht der Knecht des eigenen Vaters sein. Schon gar nicht, wenn er immer bestimmen und außerdem immer recht haben will. Selbst wenn er ganz und gar danebenliegt.«
    Eskil Lundberg stieß ein Lachen aus. »Er wollte nicht nur recht haben, wenn wir zusammen fischten«, fuhr er fort. »Ich erinnere mich an einen Abend, als wir ein Fernsehprogramm sahen, eine Art Quiz. Die Frage war, an welches Land der Felsen von Gibraltar grenzte. Er sagte, es sei Italien, ich sagte, es sei Spanien. Als sich zeigte, dass ich recht hatte, machte er den Fernseher aus und ging ins Bett. So war er.«
    »Sie sind also von hier fortgezogen?«
    Eskil Lundberg legte den Kopf schief und schnitt eine Grimasse. »Ist das wichtig?«
    »Es kann wichtig sein.«
    »Erzählen Sie noch mal, damit ich verstehe. Jemand ist verschwunden?«
    »Zwei Personen, Mann und Frau. Von Enke. Und ich finde dieses Foto in einem Tagebuch, das dem Mann gehört, dem Korvettenkapitän.«
    »Die beiden lebten in Stockholm, sagten Sie? Und Sie selbst sind aus Ystad? Wie hängt das zusammen?«
    »Meine Tochter will den Sohn der Familie heiraten. Sie haben ein gemeinsames Kind. Die Verschwundenen

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