Wallander 10 - Wallanders erster Fall
daß du manchmal zu schnelle Schlüsse ziehst.«
In seinem Zimmer stellte Wallander sich ans Fenster und betrachtete gedankenverloren ein paar Tauben, die um den Wasserturm herumflatterten. Rydberg hat natürlich recht, dachte er. Wie immer. Wenn es keine Zeugen gibt, wenn keine Beobachtungen von Außenstehenden eingehen, müssen wir genau da anfangen: Wer waren sie eigentlich, Anna und Emilia?
Um ein Uhr waren sie im Sitzungszimmer versammelt. Hansson hatte versucht, Björk zu erreichen, aber vergeblich. Dagegen war Per Åkeson gekommen.
Wallander informierte sie über die Entdeckung, daß die beiden Frauen ermordet worden waren. Sofort breitete sich eine gedrückte Stimmung im Raum aus. Alle waren offensichtlich irgendwann einmal im Handarbeitsgeschäft gewesen. Dann gab Wallander Nyberg das Wort.
»Wir stochern im Matsch herum«, sagte Nyberg. »Aber bis jetzt haben wir nichts gefunden, was erwähnenswert wäre.«
»Die Brandursache?« sagte Wallander.
»Dafür ist es zu früh«, antwortete Nyberg. »Aber den Nachbarn zufolge hörte man einen heftigen Knall. Jemand hat es als |312| gedämpfte Explosion beschrieben. Und dann stand das Haus im Laufe weniger Minuten lichterloh in Flammen.«
Wallander sah sich im Raum um. »Da kein unmittelbares Motiv erkennbar ist, müssen wir damit anfangen, soviel wie möglich über diese Schwestern herauszufinden. Stimmt es, was ich glaube, daß sie keine nahen Verwandten hatten? Beide waren alleinstehend. Waren sie auch nie verheiratet? Wie alt waren sie eigentlich? Ich habe sie als alte Tantchen in Erinnerung, seit ich hierhergezogen bin.«
Svedberg antwortete, er sei überzeugt, daß Anna und Emilia nie verheiratet waren und auch keine Kinder hatten. Aber er würde alles im Detail überprüfen.
»Das Bankkonto«, sagte Rydberg, der sich bis dahin nicht geäußert hatte. »Hatten sie Geld? Unter Matratzen versteckt oder auf der Bank? Es gibt Gerüchte über solche Dinge. Kann das die Ursache der Morde gewesen sein?«
»Das erklärt wohl kaum die Hinrichtungsmethode«, sagte Wallander. »Aber wir müssen es herausfinden. Wir müssen es wissen.«
Sie verteilten die routinemäßigen Arbeiten. Es waren immer die gleichen zeitraubenden, systematischen Arbeiten, die am Anfang einer Ermittlung durchgeführt werden mußten.
Um Viertel nach zwei hatte Wallander nur noch einen Punkt übrig. »Wir müssen mit der Presse reden«, sagte er. »Das hier wird die Massenmedien interessieren. Björk muß natürlich anwesend sein. Aber ich wäre froh, wenn es ohne mich ginge.«
Zur allgemeinen Verwunderung erbot sich Rydberg, mit den Journalisten zu sprechen. Normalerweise war er ebensowenig von solchen Auftritten begeistert wie Wallander.
Sie beendeten die Sitzung. Nyberg kehrte an die Brandstelle zurück. Wallander und Rydberg blieben noch im Sitzungszimmer.
»Ich glaube, wir müssen unsere Hoffnung auf Hinweise aus der Öffentlichkeit setzen«, sagte Rydberg. »Mehr als in normalen Fällen. Es ist vollkommen klar, daß es ein Motiv gegeben haben muß, diese Schwestern umzubringen. Und ich kann mir kaum etwas anderes vorstellen als Geld.«
»Das haben wir schon früher erlebt«, antwortete Wallander. |313| »Leute, die nicht eine Öre besaßen und trotzdem überfallen wurden, weil das Gerücht umging, sie hätten Geld.«
»Ich habe einige Bekannte«, sagte Rydberg. »Ich werde da nebenbei ein bißchen nachhaken.«
Sie verließen den Sitzungsraum. »Warum hast du die Pressekonferenz übernommen?« fragte Wallander.
»Damit du es ausnahmsweise nicht tun mußt«, antwortete Rydberg und ging in sein Zimmer.
Es gelang Wallander, Björk zu erreichen; er war zu Hause und hatte Migräne.
»Wir haben vor, um fünf Uhr eine Pressekonferenz abzuhalten«, sagte Wallander. »Es wäre natürlich gut, wenn du dabeisein könntest.«
»Ich komme«, antwortete Björk. »Migräne hin oder her.«
Die Ermittlungsmaschinerie kam langsam, aber methodisch in Fahrt. Wallander sah sich noch einmal die Brandstelle an und sprach mit Nyberg, der bis zu den Knien im schlammigen Schutt stand. Dann kehrte er ins Polizeipräsidium zurück. Aber als die Pressekonferenz begann, hielt er sich fern. Gegen sechs Uhr war er zu Hause. Diesmal ging sein Vater an den Apparat, als er anrief. »Ich habe schon gepackt«, antwortete der Vater.
»Das will ich auch hoffen«, sagte Wallander. »Ich bin um halb sieben da. Vergiß nicht den Paß und die Tickets.«
Den Rest des Abends verbrachte Wallander damit,
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