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Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Titel: Wallander 10 - Wallanders erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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aufzuschreiben, was er über die Geschehnisse der Nacht wußte. Er rief Nyberg zu Hause an und fragte, wie die Arbeit gelaufen sei.
    Nyberg konnte berichten, daß es langsam voranging. Sie würden am nächsten Tag weitermachen, sobald es hell wurde. Wallander rief auch im Polizeipräsidium an und fragte den Wachhabenden, ob irgendwelche Hinweise eingegangen wären. Aber es gab nichts, was ihm bemerkenswert erschien.
    Gegen Mitternacht ging Wallander ins Bett. Um sicher zu sein, daß er am nächsten Morgen rechtzeitig wach wurde, beauftragte er den telefonischen Weckdienst.
    Es fiel ihm schwer einzuschlafen, obwohl er sehr müde war.
    Der Gedanke an die Hinrichtung der beiden Schwestern beunruhigte ihn.
    |314| Bevor er endlich einschlief, war es ihm gelungen, sich in die Vorstellung hineinzusteigern, daß es eine lange und schwierige Ermittlung werden würde. Falls sie nicht das Glück hatten, gleich am Anfang über die Lösung zu stolpern.
     
    Am nächsten Tag stand er um fünf Uhr auf. Pünktlich um halb sieben bog er auf den Hof in Löderup ein.
    Sein Vater saß auf seinem Koffer auf dem Hof und wartete.

5
    Sie fuhren im Dunkeln nach Malmö. Der Verkehr aus dem übrigen Schonen in Richtung Malmö, wohin viele täglich pendelten, hatte noch nicht in voller Stärke eingesetzt. Wallanders Vater trug einen Anzug und auf dem Kopf einen merkwürdigen Tropenhelm, den Wallander noch nie gesehen hatte. Er ahnte, daß der Vater ihn auf irgendeinem Markt oder in einem Trödelladen gekauft hatte. Aber er sagte nichts. Er fragte nicht einmal, ob der Vater an die Tickets und den Paß gedacht hatte.
    »Jetzt fährst du also«, war alles, was er sagte.
    »Ja«, antwortete der Vater. »Endlich.«
    Wallander merkte, daß sein Vater nicht reden wollte. Das gab ihm die Möglichkeit, sich auf das Fahren zu konzentrieren und seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Was in Ystad geschehen war, beunruhigte ihn, und er versuchte es zu begreifen. Warum jemand vorsätzlich zwei alte Frauen in den Nacken schoß. Aber er war ratlos. Es gab keinen Zusammenhang, keine Erklärungen. Nur diese brutale und unbegreifliche Hinrichtung.
    Als sie auf den kleinen Parkplatz beim Flugbootterminal einbogen, wartete Linda schon auf sie. Es versetzte Wallander einen Stich, daß sie zunächst ihren Großvater umarmte und dann erst ihn. Sie machte dem Großvater ein Kompliment wegen des Tropenhelms und fand, daß er ihn kleidete.
    »Ich wünschte, ich könnte auch so eine schicke Mütze vorweisen«, |315| sagte Wallander, als er seine Tochter in den Arm nahm. Zu seiner Erleichterung war sie an diesem Morgen ungewöhnlich wenig aufsehenerregend gekleidet. Das war oft anders gewesen und hatte ihn immer gestört. Jetzt fiel ihm plötzlich ein, daß sie das vielleicht von ihrem Großvater geerbt hatte. Oder sich zumindest von ihm inspirieren ließ.
    Sie begleiteten seinen Vater in das Terminal. Wallander bezahlte sein Ticket. Als er an Bord gegangen war, standen sie draußen in der Dunkelheit und sahen das Boot durch die Hafeneinfahrt verschwinden.
    »Ich hoffe, ich werde wie er, wenn ich alt bin«, sagte Linda.
    Wallander antwortete nicht. Wie sein Vater zu werden fürchtete er mehr als alles andere.
    Sie frühstückten zusammen im Bahnhofsrestaurant. Wallander hatte wie gewöhnlich so früh am Morgen keinen Hunger. Aber damit Linda keine Diskussion darüber anfing, wie schlecht er mit sich selbst umging, füllte er einen Teller mit verschiedenen Sorten Aufschnitt und aß ein paar Scheiben Toast.
    Er betrachtete seine Tochter, die fast ununterbrochen redete. Schön auf eine traditionelle und oberflächliche Weise war sie gewiß nicht. Aber sie hatte etwas Bestimmtes und Selbständiges in ihrer Art, sich zu geben. Sie gehörte nicht zu den jungen Frauen, die um jeden Preis allen Männern gefallen wollten, die ihnen über den Weg liefen. Von wem sie ihre Redseligkeit geerbt hatte, konnte er nicht beantworten. Sowohl er selbst als auch Mona waren eher still. Aber er hörte ihr gern zu. Es versetzte ihn immer in gute Laune. Sie sprach wieder davon, Möbelpolsterin zu werden. Erzählte, welche Möglichkeiten und welche Schwierigkeiten es gab, verfluchte die Tatsache, daß es fast keine Ausbildungsberufe mehr gab, und überraschte ihn schließlich mit der Zukunftsvision, sich irgendwann in Ystad eine eigene Werkstatt aufzubauen.
    »Es ist schade, daß weder du noch Mama Geld haben«, sagte sie. »Dann hätte ich nach Frankreich gehen können, um es zu lernen.«

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