Wallander 10 - Wallanders erster Fall
Wallander spürte, daß sie ihm in keiner Weise einen Vorwurf machte, weil er nicht vermögend war. Trotzdem nahm er es als solchen auf.
|316| »Ich kann einen Kredit aufnehmen. Auch ein einfacher Polizist wird wohl kreditfähig sein.«
»Einen Kredit muß man zurückzahlen«, antwortete sie. »Und außerdem bist du immerhin Kriminalkommissar.«
Dann sprachen sie über Mona. Wallander hörte mit Genugtuung Lindas Klagen über Mona an, die ihre Tochter in allem, was sie tat, kontrollierte.
»Außerdem mag ich Johan nicht«, sagte sie schließlich.
Wallander sah sie fragend an. »Wer ist das?«
»Ihr neuer Typ!«
»Ich dachte, sie hat ein Verhältnis mit einem, der Sören heißt?«
»Das ist vorbei. Jetzt heißt er Johan und besitzt zwei Bagger.«
»Und den magst du nicht?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Er ist so polterig. Außerdem hat er, glaube ich, in seinem ganzen Leben noch kein Buch gelesen. Samstags kommt er nach Hause und hat sich
Batman
gekauft. Ein erwachsener Mann. Stell dir das vor!«
Wallander spürte eine unmittelbare Erleichterung darüber, daß er nie Comics kaufte. Er wußte, daß Svedberg ab und zu
Superman
kaufte. Manchmal hatte er in einem der Hefte geblättert, um das Gefühl aus seiner Kindheit wiederzufinden, aber es stellte sich nicht mehr ein.
»Das klingt nicht gut«, sagte er. »Ich meine, daß du dich nicht mit Johan verstehst.«
»Es geht nicht so sehr um ihn und mich«, antwortete sie. »Das Problem ist eher, daß ich nicht begreife, was Mama an ihm findet.«
»Zieh doch zu mir«, sagte Wallander impulsiv. »Du hast immer noch dein Zimmer in der Mariagata. Das weißt du.«
»Ich habe tatsächlich schon dran gedacht«, sagte sie. »Aber ich glaube nicht, daß das so gut wäre.«
»Warum nicht?«
»Ystad ist zu klein. Ich würde verrückt, wenn ich dort wohnte. Später vielleicht, wenn ich älter bin. Es gibt Orte, wo man einfach nicht wohnen kann, wenn man jung ist.«
Wallander verstand, was sie meinte. Sogar geschiedenen Männern um die Vierzig konnte eine Stadt wie Ystad eng vorkommen.
»Und du?« fragte sie.
|317| »Was meinst du?«
»Na, was glaubst du? Frauen natürlich.«
Wallander schnitt eine Grimasse. Er hatte nicht die geringste Lust, über Emma Lundin zu sprechen.
»Gib doch mal eine Annonce auf«, schlug Linda vor. »Mann in den besten Jahren sucht Frau. Du würdest viele Antworten bekommen.«
»Ganz bestimmt«, antwortete Wallander. »Und dann würde es fünf Minuten dauern, bis wir einander nur noch mit glasigem Blick anstarren und einsehen, daß wir uns absolut nichts zu sagen haben.«
Sie überraschte ihn wieder.
»Du brauchst doch eine, mit der du ins Bett gehen kannst«, sagte sie. »Es ist nicht gut, wenn du herumläufst und darbst.«
Wallander fuhr zusammen. So etwas hatte sie noch nie zu ihm gesagt. »Ich habe, was ich brauche«, antwortete er ausweichend.
»Kannst du es nicht erzählen?«
»Da gibt es nicht viel zu sagen. Eine Krankenschwester. Sie ist ein sehr netter Mensch. Das Problem ist nur, daß ich ihr mehr bedeute als sie mir.«
Linda fragte nicht weiter. Wallander registrierte, daß er sich sofort fragte, wie ihr Sexualleben wohl aussah. Aber allein der Gedanke erfüllte ihn mit so vielen widerstreitenden Gefühlen, daß er auf keinen Fall danach fragen würde.
Sie saßen bis nach zehn Uhr in dem Restaurant. Dann wollte er sie nach Hause fahren, aber sie hatte noch etwas zu erledigen. Sie trennten sich auf dem Parkplatz. Wallander gab ihr dreihundert Kronen.
»Das brauchst du nicht«, sagte sie.
»Das weiß ich. Aber nimm sie trotzdem.«
Dann sah er sie in Richtung Stadt verschwinden. Dachte, daß das seine Familie war. Eine Tochter, die ihren Weg ging. Und ein Vater, der gerade in einem Flugzeug saß, auf dem Weg ins heiße Ägypten. Zu beiden hatte er eine komplizierte Beziehung. Nicht nur sein Vater konnte schwierig sein, sondern auch Linda.
|318| Um halb zwölf war er wieder in Ystad. Auf der Rückfahrt war es ihm leichter gefallen, an das zu denken, was ihn jetzt erwartete. Das Treffen mit Linda hatte ihm neue Energie gegeben. Auf so breiter Front wie möglich, sagte er zu sich selbst. Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Er hielt an der Einfahrt nach Ystad und aß einen Hamburger. Gleichzeitig schwor er sich, daß es der letzte in diesem Jahr wäre.
Als er in die Anmeldung des Polizeipräsidiums kam, rief Ebba ihn zu sich. Sie sah etwas angespannt aus.
»Björk will mit dir sprechen«, sagte sie.
Wallander
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