Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
Grinsen aufgesetzt hatte, daß es rund um die Küste von Piräus bis nach Anaphlystos gereicht hätte. In diesem Moment hätte ich Phrynichos mit Freuden kastriert, aber ich fühlte eine seltsame Hitze in mir aufsteigen, fast etwas wie Stolz, und wollte mich an meine Nachbarn wenden und sagen: »Das bin ich, über den er spricht.« Wenn ich mich mit Männern unterhalte, über die ich Witze gemacht habe, behaupten sie von sich, ungefähr 316
das gleiche zu empfinden, und schreiben dieses Gefühl der Macht des Gottes Dionysos zu. Im Laufe der Zeit bin ich natürlich gegenüber abfälligen Bemerkungen, die über meine Person in Komödien geäußert wurden, abgestumpft, bis ich sie nur noch bemerkt habe, wenn sie fehlten.
Ich traf Phaidra vor dem Tor, und wir gingen zusammen nach Hause.
»Wenn du wirklich ein Mann wärst, würdest du für mich diesen Phrynichos umbringen«, fauchte sie mich an.
Ich zuckte die Achseln. »Wieso? Weil er deiner Meinung ist?«
»Mir ist es völlig egal, was er über dich sagt.«
»Immerhin hat er dich als hübsch bezeichnet«, wandte ich ein.
»Ich habe nicht behauptet, daß er nicht die Wahrheit gesagt hat«, antwortete sie schnell. »Aber wie ich mich jetzt noch in der Öffentlichkeit sehen lassen kann, weiß ich wirklich nicht.«
Ich legte ihr den Arm um die Taille und sagte besänftigend: »Ach, ist doch gleichgültig. Immerhin hat er meine Rede nicht gestohlen, und das ist ja wohl die Hauptsache.«
»Woher wußte er überhaupt von deinem Ausschlag?«
wollte Phaidra wissen.
»Darüber mußt du wohl im Schlaf gesprochen haben«, gab ich schnippisch zur Antwort.
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»Jetzt werden sich alle Frauen weigern, neben mir zu sitzen, damit sie sich nicht bei mir anstecken«, fuhr sie fort, als ob ich nichts gesagt hätte. »Was du da hast, ist doch nicht ansteckend, oder?«
»Ich denke, nicht. Jedenfalls hoffe ich nicht, daß ich mit meinem Stück schon morgen dran bin«, kam ich ihr zuvor.
»Vor Tagesanbruch wird man mich natürlich nicht unterrichten können, und dann muß ich durch sämtliche Weinstuben ziehen, um die ganzen Schauspieler aufzustöbern. Das wird mir bestimmt Spaß machen.«
»Eupolis.« Phaidra war jäh stehengeblieben und biß sich auf die Unterlippe. »Ich muß dir etwas sagen.«
»Weißt du wenigstens, wer der Vater ist?«
Plötzlich blickte sie sehr böse drein und schrie mich an:
»Warum mußt du eigentlich andauernd Witze machen? Ich habe das langsam satt, hörst du? Die ganze Zeit nichts als dumme Bemerkungen. Ich glaube nicht, daß das noch witzig ist.« Sie zog ihre Hand von mir zurück und drehte mir den Rücken zu. Ich kam mir auf einmal ziemlich lächerlich vor, obwohl nur Zeus allein weiß, warum, und ich stand auf einem Bein da und wartete darauf, daß sie etwas sagte.
Schließlich fuhr sie mit immer noch mir zugewandtem Rücken fort: »Ich meine, wenn es mit dir seit unserer Hochzeit keine so völlige Zeitvergeudung gewesen wäre, hätte ich es erst gar nicht getan.«
»Was getan?«
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»Wenn also irgend jemand schuld hat«, fuhr sie fort, wobei sie zu mir herumschnellte und mich böse ansah,
»dann du, du saublöder Kerl!« Sie spuckte geschickt genau zwischen ihre Füße. »Du hast mich einfach zu weit getrieben, das ist alles.«
»Was hast du getan?«
»Ach, geh doch hin, wo der Pfeffer wächst!« schnauzte sie mich an und entfernte sich rasch. Ich lief hinter ihr her und bekam sie an den Handgelenken zu fassen. »Laß mich los!« fluchte sie und riß dabei ihre Hände frei. »Wie du siehst, kannst mich nicht mal richtig schikanieren.«
»Ich habe dir eine Frage gestellt!« ermahnte ich sie.
»Was hast du getan?«
»Das war alles Aristophanes’ Idee, als ich mich noch mit ihm getroffen habe«, antwortete sie kleinlaut und fuhr dann im gewohnten Ton fort: »Weißt du, daß er fast eine solche Flasche ist wie du? Jedenfalls wollte er, daß ich irgendeine Möglichkeit finde, dein Stück zu ruinieren. Ich habe ihm gesagt, da brauche er sich keine Sorgen zu machen, es werde zwangsläufig von selbst scheitern. Aber er ist genauso blöd wie du und wollte unbedingt sichergehen.
Und darum habe ich angefangen, so nett zu dir zu sein…«
»Wann? Das muß ich verpaßt haben…«
»Um Himmels willen, Eupolis!« Sie hatte vor Zorn ganz schmale Lippen, und ich entschloß mich, nicht weiter auf ihr herumzuhacken. »Ich habe mich von dir zu diesen blöden Proben mitnehmen lassen, und du hast unaufhörlich von deinen blöden Kostümen für
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