Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
deinen blöden Chor 319
    geredet. Deshalb habe ich genau zugehört, was über den Aufbewahrungsort gesagt wurde.«
    »Die sind drüben in Philonides’ Haus«, entgegnete ich.
    »Er bewahrt sie in seinem Innenraum auf, in einer verschlossenen Truhe.«
    »Ich weiß«, erwiderte Phaidra grinsend. »Das habe ich sogar mittlerweile von ihm selbst erfahren und es dann Aristophanes erzählt. Morgen früh wird er mit seinen Schauspielern noch vor Tagesanbruch vorbeikommen, sich einen Weg durch die Hausmauer bahnen und sie stehlen.«
    Es war, als hätte mich dieser Straßenräuber ein zweites Mal niedergeschlagen. Ich fühlte, wie mir die Beine nachgaben, und konnte kaum denken. »Um Himmels willen, Weib!« stöhnte ich. »Warum hast du mich statt dessen nicht einfach getötet? Welch abscheuliche Tat hast du da nur begangen!«
    Dann spürte ich ihren Kopf unter meinem Kinn und ihre Arme um mich. »Aber du hast es nicht anders verdient«, schluchzte sie. »Du hast es wirklich nicht anders verdient.
    Ich wußte, daß es dir weher täte als alles andere auf der ganzen Welt, weil du so blöd bist.«
    Sie so nah an mir zu spüren, war wie loderndes Feuer, das meine Seele entflammte und Armen und Beinen Kraft gab.
    »Woher weißt du, daß es morgen früh stattfinden soll?«
    fragte ich. »Woher will er überhaupt wissen, wann ich an der Reihe bin? Ich hätte genausogut als erster dran sein können.«
    320
    Phaidra schüttelte den Kopf. »Er hat die Wahl manipuliert. Er hat jemanden bestochen, wen, hat er mir allerdings nicht verraten. Er wollte dich morgen haben und sich selbst zuletzt, um sicher zu sein, Phrynichos zu schlagen. Eupolis, ich…«
    »Das besprechen wir später«, unterbrach ich sie. »Geh nach Hause und setz viel starken Wein an. Ich muß erst mal Philonides auftreiben.«
    Als sich die Morgendämmerung mit ihren Rosenfingern über den östlichen Himmel ausbreitete, hielt ich mich hinter einem großen Krug in Philonides’ Innenraum versteckt, wobei ich diese Mischung aus Angst und gerechtem Zorn verspürte, die Theseus gefühlt haben mußte, als er auf der Suche nach dem Minotauros durch das Labyrinth irrte.
    Philonides selbst hatte sich in unbequemer Stellung hinter die Kostümtruhe gekauert. An strategisch wichtigen Punkten waren, über den ganzen Raum verteilt, unsere vier Schauspieler, der kleine Zeus und drei große Sklaven aus Philonides’ Haushalt sowie ein Mann postiert, der gerade bei unserer Ankunft zufällig auf der Straße vorbeigekom-men war und den wir als unbeeinflußten Zeugen zu diesem Dienst genötigt hatten. Außer dem Zeugen trugen wir alle unsere Helme und Brustpanzer, und wir hatten schwere Knüppel aus Olivenbaumholz dabei, die wir eiligst aus Weinpfählen geschnitten hatten.
    »Natürlich könnte es sich bei der ganzen Geschichte auch um einen raffinierten Trick handeln«, sagte der kleine 321
    Zeus (unter dessen Vorfahren ein berühmter Heerführer gewesen war).
    »Raffiniert? Na, ich weiß nicht«, widersprach Philonides. »Eher schmutzig.«
    »Nein, du verstehst mich nicht«, fuhr der kleine Zeus fort. »Es könnte sich um eine Falschmeldung handeln, um ein Ablenkungsmanöver, wie mit der Geschichte von Themistokles bei Salamis. Vielleicht will Aristophanes, daß wir hier sind, damit er am anderen Ende der Stadt etwas ganz anderes treiben kann. Zum Beispiel könnte er in genau diesem Moment unseren Chorführer vergiften.«
    Philonides befahl ihm, still zu sein, doch machte ich mir allmählich ernsthafte Sorgen, und ohne es zu merken, schälte ich mit den Fingernägeln die ganze Baumrinde vom Stiel meines Knüppels ab. Die Wirkung des starken Weins, den wir zuvor alle in meinem Haus getrunken hatten, verflog langsam, genau wie der gerechte Zorn. Was blieb, war hauptsächlich Angst, verbunden mit einem Gefühl, daß ich eigentlich nicht dort sein sollte. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, Kallikrates und Philodemos von jemandem rufen zu lassen, aber dafür war die Zeit zu knapp gewesen.
    Und ich war sicher, daß Philonides und mir jemand auf dem Rückweg zu meinem Haus gefolgt war, nachdem ich ihn gefunden hatte.
    »Vielleicht kommt er ja gar nicht«, sagte einer der Schauspieler. »Wir sind jetzt schon etliche Stunden hier, und ich muß dringend pinkeln. Bekommen wir das hier bezahlt?«
    322
    »Du bekommst meinen Handrücken zu spüren, wenn du die Klappe nicht hältst!« zischte Philonides ihn an.
    »Und würdet ihr jetzt alle endlich aufhören, wie ein Haufen Vögel zu schnattern?«

Weitere Kostenlose Bücher