Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
schimpfte ich in die Runde.
»Schließlich soll das hier ein Hinterhalt sein.«
Zumindest hielt mich die Sorge über den Überfall von zuviel Sorgen über mein Stück ab, obwohl mir auf einmal eingefallen war, daß wir nicht dazu gekommen waren, die verpatzten Zäsuren in Ordnung zu bringen. Trotzdem, so spürte ich, wäre dies wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt für eine umfangreiche Neufassung, obwohl wir alle Schauspieler dabei hatten.
Dann sah ich Philonides plötzlich den Kopf hochstrecken, und als ich unmittelbar darauf das Geräusch einer gegen die Mauersteine stoßenden Brechstange hörte, stülpte er vorsichtig eine Kanne über die Lampe. In der absoluten Dunkelheit schien das Geräusch der Brechstange den ganzen Raum zu erfüllen, und ich ließ mir sämtliche Gefechte auf engem Raum durch den Kopf gehen, an die ich mich erinnern konnte – wie in den Thermopylen und natürlich auch in Pylos. Je länger ich darüber nachdachte, desto unbehaglicher fühlte ich mich, denn bei jeder dieser Kampfhandlungen, die ich mir ins Gedächtnis rief, hatten die Angreifer schließlich die Oberhand gewonnen.
Natürlich hatten wir keine Ahnung, wie viele Männer Aristophanes mitgebracht hatte; vielleicht stand da draußen sein ganzer Chor, mit Schwertern und feuchtem Laub, um Rauch zu erzeugen. Mit der schweren Fußtruppe sah es bei uns gut aus, aber wo waren unsere Schleuderer und Bogenschützen? Außerdem hatten wir vergessen, die Tür 323
von außen zu verriegeln; Aristophanes konnte also nicht mit einem leeren Haus rechnen – was, wenn er eine Abteilung seiner Streitkräfte zur Vorderseite des Hauses schicken würde, um sich uns von beiden Seiten zu bemächtigen, wie es Xerxes in den Thermopylen getan hatte? Und obwohl wir mit Knüppeln bewaffnet waren, hatten sie offenbar schwere eiserne Brechstangen dabei, und keiner von uns hatte daran gedacht, seinen Schild mitzunehmen. Wenn doch nur Kallikrates bei uns wäre!
Wenn doch nur Kallikrates hier wäre und ich irgendwo anders!
Dann ermahnte mich meine innere Stimme, Ruhe zu bewahren und im entscheidenden Moment tapfer zu kämpfen, und ich umfaßte den Stiel des Knüppels so fest, daß dabei die Haut unter meinem Siegelring zusammengequetscht wurde, was schmerzhaft wie ein Säbelhieb zu sein schien. Das Geräusch von Brechstangen wurde mit jedem Herzschlag lauter, und ich war mir sicher, Stimmen zu hören, viele Stimmen. Das ist nicht nur sein Chor, sagte ich mir, sondern das sind auch alle seine Haussklaven und wahrscheinlich einige Köche und ein paar Raufbolde, die er auf dem Marktplatz angeheuert hat.
Ich fühlte mich gefangen wie ein Grashüpfer in einem Krug. Selbst Demosthenes hätte Schwierigkeiten gehabt, aus dieser Klemme herauszukommen.
Auf unserer Seite der Mauer war das Geräusch herabfallenden Schutts zu hören, und ein Lichtstrahl der frühen Morgensonne fiel in den Raum, zwar nur sehr schwach, aber ausreichend, um mich zu blenden. Mein Mund war trocken, und mir schien jeder einzelne Muskel 324
im Körper weh zu tun. Das Hämmern nahm zu, ganze Ziegelsteine fielen jetzt in den Raum, und ich erinnere mich an den Gedanken, daß, wer auch immer Philonides’
Haus gebaut hatte, er ganz schön schlechte Arbeit geleistet hatte. Das Hämmern setzte aus und mit ihm mein Herz.
»Meister, ich kann den Kopf durch das Loch stecken«, flüsterte eine Stimme hinter der Mauer.
»Mach weiter, du Narr!« Das war unverkennbar Aristophanes. »Schließlich haben wir nicht die ganze Nacht.«
»Meister«, flüsterte die Stimme erneut, »aber was ist, wenn da jemand drin ist? Ich meine…«
»Philonides ist in Eupolis’ Haus«, entgegnete Aristophanes. »Mein Mann hat ihn hineingehen sehen, wahrscheinlich nehmen sie in letzter Minute Änderungen an dem Stück vor. Und seine Frau schickt er während der Festspiele immer aufs Land. Können wir jetzt endlich weitermachen?«
Das schien die Stimme zufriedenzustellen, denn das Hämmern begann von neuem, und weitere Ziegel plumpsten herein, bis ich einen fast mannsgroßen dunkelblauen Lichtfleck erkannte, wo vorher nur Dunkelheit gewesen war. Ich gelobte, Dionysos und Ares dem Beutetreiber je ein Erstlingslamm zu opfern, und wartete. Es herrschte Stille, dann gab es ein raschelndes Geräusch, und das blaue Licht wurde durch bewegte Schatten verdunkelt.
Nun hob Philonides die Kanne von der Lampe und brüllte aus vollem Hals Io Paianl, und da stand 325
Aristophanes starr wie eine Statue im Licht der Lampe. In
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