Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
verdächtig ähnlich sahen, die ich einmal bei mir selbst im Spiegel entdeckt hatte. »Tut mir leid«, entschuldigte ich mich. »Das kommt bestimmt nicht noch mal vor.«
»Es wäre besser gar nicht erst passiert, das ist alles«, hielt er mir vor. »Und eins laß mich noch klarstellen, junger Mann – ich werde sie nicht in meinem Haus gebären lassen, und das ist mein letztes Wort. Bring gefälligst selbst Ordnung in dein Chaos!«
Er stürmte hinaus und schloß rasch die Tür hinter sich, als ob er Angst hätte, daß Phaidra noch hinter ihm hinausschlüpfen könnte. Eine ganze Weile stand sie nur schweigend da und blickte mich an.
»Hast du das gehört?« fragte sie mich schließlich.
»Ich bin ja nicht taub«, antwortete ich. »Stimmt das wirklich?«
»Ja, natürlich stimmt das!« fauchte sie mich an. »Ich wünschte nur, es würde nicht stimmen.«
»Na gut, allerdings weiß ich nicht, was ich deiner Meinung nach in dieser Sache unternehmen soll, da ich offensichtlich nicht der Vater bin.«
»Natürlich bist du der Vater!« brüllte sie mich an. »Und sieh mich gefälligst an, ja?«
Ich drehte ihr den Rücken zu. »Ich bin nicht der Vater, und ich werde das Kind auch nicht als meines anerkennen.
Da kannst du machen, was du willst.«
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»Na prima! Dann werde ich es eben draußen in den Bergen den Wölfen zum Fraß vorwerfen. Willst du das wirklich?«
»Das ist mir vollkommen gleichgültig«, antwortete ich, schloß die Augen und atmete tief ein. »Wie lange hast du das schon gewußt?«
»Mhm, so ungefähr seit einer Woche«, erwiderte sie müde. »Ich hatte vor, es dir erst nach dem Gewinn dieses blöden Preises für dein noch blöderes Stück zu erzählen.
Weil ich gehofft hatte, du hättest dann gute Laune. Aber das sieht dir ähnlich, alles zu vermurksen.«
»Ach, darum ging es also die ganze Zeit, du falsches Luder«, entgegnete ich ungehalten, und Zorn wallte plötzlich in mir auf. »Dieses ganze…«
»Dieses ganze… was?«
»Das da zum Beispiel«, antwortete ich und trat den Umhang, den sie für mich gewebt hatte, mit dem Fuß quer durch den Raum. »Du hast nur deine Zeit verschwendet, wenn du den eigens für mich gemacht hast.«
»Ach, wirklich?« Phaidra stand jetzt ganz still da und blickte mich so durchdringend an, daß ich ihr nicht in die Augen sehen konnte.
»Ja«, erwiderte ich mit fester Stimme. »Hör mal, es ist ganz klar, daß es mit uns beiden niemals klappen wird, und deshalb halte ich es für angebracht, wenn wir uns von jetzt an einfach aus dem Weg gehen, wie wir es schon früher erfolgreich praktiziert haben. Keine Sorge, ich erkenne das 345
Kind an. Erwarte nur nicht, daß ich irgend etwas mit ihm zu tun haben will, das ist alles.«
»Willst du das wirklich so?«
»Ich glaube, das wäre für uns beide am besten«, entgegnete ich. »Glaubst du nicht?«
»Doch, mir ist das recht.«
Ich stand auf, zog mir den Chiton aus, den sie für mich gefertigt hatte, und zog den an, der noch immer mit Ziegelstaub bedeckt war. An sämtlichen Stellen, wo er die Haut berührte, schien er schmerzhaft entlangzuschaben.
»Ich werde dir Geld schicken, sobald ich in Pallene eingetroffen bin«, sagte ich. »Wenn es dir nichts ausmacht, mache ich mich gleich auf den Weg. Ich habe dort alles, was ich brauche.«
Ich ging hinaus, ohne mich noch einmal umzusehen, und reiste, ohne haltzumachen, direkt nach Pallene. Dort war man allgemein überrascht, mich zu sehen, und fragte mich wie gewöhnlich, ob meine Frau bei mir sei. Ich sagte, nein, diesmal nicht, und fragte, ob es irgendwelches warmes Essen gebe, da ich nach der beschwerlichen Reise Hunger hätte. Am nächsten Tag schickte ich einen zuverlässigen Mann mit seiner Ehefrau in die Stadt, damit er Phaidra das Geld gab, das ich ihr versprochen hatte, und damit die beiden ihr im Haus Gesellschaft leisteten, falls sie Angst vor dem Alleinsein haben sollte. Außerdem sollten sie ihr ausrichten, sie könne einen Boten zu mir schicken, falls sie etwas wünsche, oder zu Kallikrates, wenn es dringend sei.
Phaidra schickte den Mann und seine Frau mit der Nachricht zurück, sie wolle sich lieber ein paar vertraute 346
Leute von ihrem Vater ins Haus holen, falls ich nichts dagegen hätte. Ich blieb ihr eine Antwort schuldig.
Wie ich Ihnen schon erzählt habe, wurde kurz darauf Kleon bei Amphipolis getötet, und die Spartaner sandten eine Botschaft, in der sie den Frieden anboten. Zwar gab es noch in letzter Minute von beiden Seiten das übliche
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