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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Geplänkel und diverse Wutanfälle, aber am Ende übernahm Nikias, der Sohn des Nikeratos, die Verhandlungen und brachte für fünfzig Jahre den Frieden zurück, zu Land und zur See, nicht lange nachdem Aristophanes mit seinem Stück Der Frieden auf den Städtischen Dionysien den ersten Preis gewonnen hatte.
    Endlich war der Krieg vorbei.
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    12. KAPITEL
    ls der Frieden geschlossen wurde, war ich A einundzwanzig Jahre alt und Mitglied der Reiterklasse – wie sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte aus meinem Grundbesitz nie mehr als vierhundertundsechzig Scheffel Ertrag herauspressen, sei es im festen oder flüssigen Zustand, und Solon hatte aus unerfindlichen Gründen die Untergrenze für die oberste Steuerklasse auf fünfhundert Scheffel Ertrag festgesetzt.
    Außerdem stand ich kurz davor, Vater zu werden. Ich konnte durchaus damit rechnen, weitere dreißig Jahre oder noch länger zu leben. Meine Familie wurde normalerweise über sechzig, und ich hatte einen Großonkel, der zur maßlosen Empörung seiner Kinder sogar vierundachtzig Jahre alt geworden war. Von seiner Frau getrennt zu leben, war damals für einen Mann nicht so ungewöhnlich, wie man vielleicht vermuten möchte, vor allem dann nicht, wenn er es sich leisten konnte – und abgesehen von dem allgemeinen Klatsch hörte ich nichts mehr von oder über Phaidra. Ich schickte ihr regelmäßig Geld, verbrachte aber die meiste Zeit in Pallene.
    Dort gab es so viel zu tun, daß mir nur wenig Zeit blieb, an etwas anderes zu denken. Sie werden aus dem bislang Geschriebenen ersehen, daß ich mich stets für das Leben und die Zeit des Tyrannen Peisistratos interessiert habe –
    so etwas kann ich heutzutage natürlich sogar in der Öffentlichkeit sagen –, und wann immer ich jemandem begegnete, der eine Geschichte über ihn parat hatte, sorgte ich dafür, daß sie sie zu hören bekam. Durch alle diese 348
    Geschichten festigte sich meine Überzeugung, daß die Athener zu seinen Zeiten dank finanzieller Zuschüsse und Unterstützung seitens des Tyrannen viel mehr attisches Land urbar machten und bebauten als heute. Ich hatte das Gefühl, ein eigenes peisistratisches Programm durchführen zu können, wobei ich die Geldmittel aus meinen fruchtbareren Ländereien einsetzte, um die Rückgewinnung verödeter Gebiete zu finanzieren. Deshalb kaufte und stellte ich Arbeitskräfte ein und machte mich daran, mir Land auf den Berghängen anzueignen, wo immer es genügend Ackerkrume gab, um mir damit die Fingerspitzen schmutzig zu machen.
    Rückblickend war es wohl eine alberne Idee; aber ich war noch jung und suchte nach einer Beschäftigung, zumal ich zu jenem Zeitpunkt der Komödie den Rücken gekehrt hatte. Wir hauten Terrassen in Hänge hinein, in die sich selbst Ziegen nicht zu gehen trauten, kratzten die Erde in Körbe und ließen sie an Seilen zu der neuen Anbaufläche hinab. Wir bauten Dämme wie die Mauern von Babylon, nur um kleine Wasserrinnsale zu zwingen, den richtigen Weg hinabzutröpfeln, doch die einzige Flüssigkeit, mit denen der Boden regelmäßig getränkt wurde, war unser Schweiß. Ich darf gar nicht daran denken, wieviel Geld und Verpflegung ich bei dem Versuch vergeudet habe, den Hängen des Parnes und Hymettos ein paar Morgen Land abzuringen, aber als ich mich erst einmal darauf festgelegt hatte, wollte ich unter keinen Umständen den Rückzug antreten. Am Ende war alles getan, die Weinreben und Oliven waren angepflanzt, und wir konnten uns in aller Ruhe zurücklehnen und ihnen beim allmählichen 349
    Dahinwelken und Absterben zusehen. Von dreißig Morgen Terrassenland, das wir rund um die Berghänge angelegt hatten, werden heute nur noch zehn bebaut.
    Während ich diese Sisyphusarbeit verrichtete, bekam Phaidra ihr Kind, und nach dem ganzen Ärger handelte es sich zu allem Überfluß nur um ein Mädchen. Phaidra nannte es Kleopatra – ›Papas ganzer Stolz‹ (ihr Humor war so schlecht wie eh und je) – und gab es einer der Frauen ihres Vaters zum Aufziehen. Natürlich machte ich mich nicht auf den Weg, um mir das Kind anzusehen, denn insgeheim war ich immer noch davon überzeugt, daß es nicht von mir war. Aber Kallikrates ging hin und nahm ein kleines Kästchen Gold und Lapislazulischmuck mit, den er von seinem eigenen Geld gekauft hatte – seine Frau war unfruchtbar, und er hatte sich dennoch geweigert, sich von ihr scheiden zu lassen. Als er mich das nächstemal besuchen kam, betonte er zwar immer wieder, wie ähnlich mir die kleine

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