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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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bis ich einen Stein nach ihm warf.
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    Als ich zu Hause ankam, erwartete mich Phaidra bereits mit Käse und einem Becher Wein mit Kräutern. Sie versuchte, die Arme um mich zu schlingen, doch ich schob sie beiseite und setzte mich ans Feuer. Ich brauchte Wärme. Phaidra kam, kniete sich neben mir nieder und bot mir den Wein an. Ich stieß ihn beiseite, und der Becher fiel ihr aus den Händen und zerbrach auf dem Boden.
    »Nun sei doch bitte nicht so erbost«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Es war ein gutes Stück, wirklich.«
    »Nein, das war es nicht!« widersprach ich wütend. »Das war das schlechteste Stück, das jemals geschrieben wurde.«
    »Also gut«, entgegnete sie, und ihre Stimme schien aus großer Entfernung zu kommen, »vielleicht hast du recht, ich weiß es nicht. Aber selbst, wenn es so ist, wirst du daraus lernen und nicht noch einmal dieselben Fehler machen. Und nächstes Jahr …«
    Ihre Stimme regte mich auf, wie das Summen einer Fliege, und ich wandte mich von ihr ab. Ob Aristophanes womöglich schon feiert? fragte ich mich. Jetzt, da ihm der Preis so gut wie sicher war? Großer Dionysos, betete ich, wenn du mich liebst und mein Schutzherr bist, dann laß Phrynichos gewinnen und nicht Aristophanes.
    »Hör mal, das ist nicht das Ende der Welt, das verspreche ich dir«, versuchte mich Phaidra zu trösten.
    »Wirklich, du bist ein sehr guter Dichter, das ist mein Ernst. Nur weil diesmal…«
    Plötzlich war mir furchtbar heiß, und ich zog so heftig an dem Umhang um meinen Hals, daß der Stoff überall um 341
    die Spange herum zerriß. Ich zerrte ihn los und warf ihn zu Boden.
    »Kannst du nicht einfach mal die Klappe halten, verdammt noch mal?« brüllte ich Phaidra an. »Warum verschwindest du nicht einfach und läßt mich endlich in Ruhe?«
    Sie griff hastig nach meiner Hand, aber ich zog sie zurück. Nach einem kurzen Augenblick stand sie von der Stelle auf, wo sie die ganze Zeit gekniet hatte, sagte:
    »Dann fahr doch zur Hölle!«, ging in den Innenraum und knallte die Tür hinter sich zu.
    Am nächsten Morgen ging ich nicht ins Theater, aber am Abend schaute Kallikrates vorbei und berichtete, daß Phrynichos durch einstimmigen Beschluß der zwölf Preisrichter vor Aristophanes gewonnen hatte. Inzwischen kam ich mir vollkommen dämlich und spartanisch vor und brummelte irgend etwas Törichtes vor mich hin wie: Den Göttern sei Dank, daß Athen zwei noch bessere Bühnendichter als mich habe. Kallikrates entgegnete vernünftigerweise überhaupt nichts und erhob sich, um zu gehen.
    »Übrigens haben wir heute morgen eine Nachricht von Phaidra erhalten«, sagte er. »Sie läßt dir ausrichten, daß sie nicht zurückkommt, bevor du dich nicht entschuldigt hast.
    Ich weiß zwar nicht, was sie diesmal angestellt hat, aber falls ich dir in irgendeiner Weise behilflich sein kann, dann…«
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    Ich runzelte die Stirn, wobei ich ein Gefühl hatte, als wäre ich betrunken. »Zurückkommen?« fragte ich. »Ich wußte nicht mal, daß sie weggegangen ist.«
    »Sie ist im Haus ihres Vaters«, entgegnete Kallikrates.
    »Jedenfalls hält sie sich dort schon den ganzen Tag auf.
    Willst du damit sagen, du hast es nicht mal gemerkt?«
    Ich mußte laut lachen, und Kallikrates, der sehr geduldig mit mir gewesen war, geriet schließlich in Wut. Er riet mir, ich solle mich gefälligst nicht länger wie ein Kind aufführen, und knallte die Tür hinter sich zu. Ich rief ihm etwas hinterher, aber er kam nicht zurück; zwar war es schwer, ihn auf die Palme zu bringen, aber wenn er erst einmal oben war, bekam man ihn nicht mehr herunter.
    Nach seinem überstürzten Abgang setzte ich mich ans Feuer, das schon lange ausgegangen war, und lauschte angestrengt meiner inneren Stimme, aber da kam nichts.
    Am nächsten Morgen hatte ich zwei Besucher. Der eine war ein Bote von Phrynichos, der mich nach alter Sitte zu dessen Siegesfeier einlud. Ich kann mich zwar nicht erinnern, womit ich nach ihm warf, aber was es auch war, getroffen habe ich ihn nicht. Der zweite Besucher war Phaidras Vater, der seine Tochter wie einen widerspenstigen Hund hinter sich herzog.
    »Dieses Weib ist jetzt dein Problem«, sagte er und schob sie mir entgegen, wie ein Kunde einem Fischhändler verfaulte Sardinen zurückgibt. »Ich habe Gäste bei mir wohnen und brauche Phaidra nicht zum Krawallmachen im Haus. Außerdem sollte ein Mann in der Lage sein, seine eigene Ehefrau im Zaum zu halten.«
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    An der linken Wange hatte er Kratzspuren, die denen

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