Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
hast. In einem Punkt hattest du übrigens recht.«
»Und in welchem?«
»Kleon hat sich wirklich in dir geirrt. Er dachte, du seist intelligent genug, um zu merken, daß er es gewesen war, der dir an dem Abend, als du den Archon aufgesucht hast, den Heerführer gewährt hat. Ehrlich gesagt hatte ich dich auch für so intelligent gehalten. Schade.«
Er stampfte hinaus, stieg auf sein Pferd, ritt in Richtung Stadt davon und ließ mich mit dem Gefühl zurück, als hätte er mir gerade auf den Kopf gespuckt.
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Danach war es für mich keine wirkliche Überraschung, als ich etwa einen Monat später ins Prytaneion bestellt wurde.
Während des Ritts grübelte ich darüber nach, worum es sich handeln könnte; um eine Art von Bestrafung für meine Undankbarkeit, vermutete ich. Als ich schließlich die Stadttore erreichte, war ich zu der Überzeugung gelangt, daß ich wahrscheinlich an der Reihe war, die Ausrüstung eines Kriegsschiffs oder (noch, wahrscheinlicher) die eines Chors zu bezahlen. Während ich am Theater vorbeiritt, betete ich zu Dionysos, daß man mich nicht dazu zwingen möge, den neuesten Aristophanes zu finanzieren.
Als ich bereits eine Stunde lang auf den Stufen herumsaß und immer noch darauf wartete, vom Rat hineingerufen zu werden, kam ein Mann vorbei, den ich von irgendwoher kannte. Ich lächelte ihn an und versuchte, mich an seinen Namen zu erinnern.
»Hallo, Eupolis!« begrüßte er mich strahlend. »Wie steht’s mit deinen neuen Terrassen?«
»Könnte schlimmer sein«, antwortete ich. Das Gesicht war mir zweifellos vertraut – schmal und sehr hager, mit einer großen Nase und gestutztem Kinnbart. Nach dem grauen Haar zu urteilen, war er Mitte bis Ende Dreißig.
»Sind natürlich nicht die Mühe wert, aber was soll’s?«
Er lachte. »Ganz recht. Was tust du eigentlich hier? Will man dich in die Verbannung schicken?«
»Das kann ich auch nur raten«, antwortete ich.
»Entweder das, oder es geht um eine Triere oder natürlich um den Schierlingsbecher.«
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Er lächelte. »Da würde ich mir keine Sorgen machen«, beruhigte er mich. »Zur Zeit richten wir nur Heerführer hin. Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Glück. Egal, worum es sich dabei handelt.« Er winkte zum Abschied und lief elegant die Treppe hinunter. Kaum hatte er das Wort Heerführer in den Mund genommen, war mir klargeworden, daß ich mit dem ruhmvollen Demosthenes gesprochen hatte, Kleons Gefährten in Pylos. Ich war überrascht, warum er mich überhaupt erkannt hatte, ganz zu schweigen von dem Wissen über meine Terrassen, denn soweit ich mich erinnern konnte, hatten wir uns nie zuvor unterhalten, und selbst ich hätte eine Begegnung mit Demosthenes nicht vergessen.
Dann rief man mich hinein, und allmählich bekam ich feuchte Hände. Aus irgendeinem Grund war ich zu der Überzeugung gelangt, man werde mich vor den versammelten Rat rufen, und ich müsse dort stehen, während man mich aus allen Ecken des Saals mit Fragen bewarf. Folglich war ich mehr als erleichtert und alles andere als enttäuscht, als ich in einen kleinen Anbau geführt wurde, der die ungefähre Größe der Vorratskammer eines armen Bauern hatte. Dort saß ein Mann, den ich kannte, einer meiner Nachbarn aus Phrearrhos, und ich nahm an, daß auch er wartete.
»Hallo, Mnesarchides«, begrüßte ich ihn. »Hat man dich auch kommen lassen?«
»Ach, red keinen Unsinn!« erwiderte er etwas ungehalten. »Ich sitze im Rat. Hörst du eigentlich nie zu, wenn dir die Leute etwas erzählen?«
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Jetzt, da er darauf zu sprechen kam, erinnerte ich mich, davon gehört zu haben, daß er für dieses Jahr berufen worden war. Ich lächelte breit und sprach ihm mein Bedauern aus, woraufhin er sich bei mir bedankte.
»Also, junger Eupolis«, sagte er in einem förmlichen Ton, den selbst recht vernünftige Leute anschlagen, wenn sie gegen ihren Willen in ein öffentliches Amt gedrängt worden sind, »ich freue mich, dich darüber in Kenntnis setzen zu dürfen, daß du dazu ausgewählt worden bist, an unserem bevorstehenden Einsatz in Thessalien teilzunehmen.«
»Welcher Einsatz in Thessalien? Ich dachte, das sei jetzt alles vorbei.«
»Es haben sich Vorfälle ereignet, die Gespräche auf höchster Ebene zwischen uns und der derzeitigen Regierung erforderlich machen«, klärte Mnesarchides mich auf.
»Ich verstehe.« Ich konnte zwar seine Mißbilligung spüren, mich aber irgendwie nicht dazu durchringen, Mnesarchides in seiner neuen Rolle als Ratsmitglied
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