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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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sagt, und davon gibt es in Attika wahrhaftig nicht viele.
    Als wir Larisa erreichten, hielt ich es zunächst für ein Dorf. Zwar hatte der Ort Mauern und Tore und war wirklich ziemlich groß, und die Menschen auf den Straßen, 362
    insbesondere die Frauen, waren alle gut (wenn auch wunderlich) gekleidet, doch konnte ich mich die ganze Zeit eines gewissen Kleinstadtgefühls nicht erwehren, das beileibe nicht jedermanns Sache ist. Theoros mochte es offenbar nicht – er gehört zu diesen Menschen, die sich schon unwohl in ihrer Haut fühlen, wenn sie beim Ausstrecken der Hände ausnahmsweise einmal keinen Marmor berühren –, aber ich gebe zu, daß mir Larisa sehr gefiel. So kam ich damals auf den Gedanken, mir im Falle einer Verbannung kaum einen schöneren Ort zum Leben als diesen hier vorstellen zu können. Straton, das dritte Mitglied unserer Gruppe, gab sich wie immer sichtbar Mühe, mit jemandem anzubändeln, allerdings hatte er damit schon angefangen, gleich nachdem wir auf unsere Begleiter getroffen waren, und ich glaube nicht, daß er bei irgendeinem von ihnen Erfolg hatte.
    Ich rechnete damit, daß unsere Gastgeber, die Prinzen, von ähnlicher Statur wie die von ihnen gesandten Reiter wären, was allerdings nicht im entferntesten der Fall war.
    Als wir den Palast erreichten – ein riesiges rechteckiges Gebäude, wie ein übergroßer Trierenschuppen –, kamen sie zur Begrüßung nach draußen; zwei sehr dicke Männer, die beide Ende Zwanzig waren. Ich hatte mir die Prinzen älter vorgestellt, aber dann fiel mir ein, was mir mein Freund, der Reiter, über thessalische Politik erzählt hatte, und ich begriff, daß hier kaum ein Stammesführer älter als dreißig Jahre werden konnte.
    Es geht nichts über eine Begegnung mit Ausländern, damit man über die eigenen Landsleute scharf nachdenken kann. Alexander und Jason trugen Kleidung, die in Athen 363
    vor etwa acht Monaten in Kreisen, in denen sich zum Beispiel Alkibiades aufhielt, dem letzten Schrei entsprochen hätte, nur hätten Alkibiades und seine Freunde niemals so schweren Goldschmuck dazu angelegt.
    Zunächst einmal hätten sie ihn sich gar nicht leisten können, und selbst wenn es ihnen gelungen wäre, so viel Gold zusammenzubekommen, wie Jason um den Hals hing, hätten sie es viel eher zur Bestechung von Geschworenen benutzt, anstatt sich daraus ein riesiges Halsband aus massivem Gold anfertigen zu lassen. Als er sprach, redete Jason in attischem Griechisch, wobei er lediglich nicht ganz verstand, wann er statt ›t‹ ›s‹ sagen mußte, und seine Stimme klang fast, aber eben doch nicht ganz wie die eines Atheners. Theoros schauderte, als er ihn hörte, und ich glaube, selbst Straton mochte ihn nicht besonders. Mit Alexander war es nicht viel besser.
    Sein Attisch war beinahe perfekt, aber er lispelte ständig
    – wahrscheinlich, um Alkibiades nachzuahmen –, und es wirkte schon fast störend, wenn er es einmal vergaß. Auch Straton lispelt von Natur aus, und ich glaube, Alexander wollte witzig sein.
    Die Prinzen schienen über solch ermüdende Angelegenheiten wie Reiter und Geld nur ungern sprechen zu wollen, obwohl sie außerordentlich redselig waren und Theoros – der inzwischen schon fast eingeschnappt und kurz davor war, sich danebenzubenehmen – immer wieder versuchte, das Gespräch herumzureißen. Aber Alexander war ganz offensichtlich nicht bereit, sich um sein ihm zustehendes Kontingent an gesprochenem Attisch bringen zu lassen. Als Theoros ihn freiheraus fragte, wann wir 364
    endlich das Geschäftliche besprechen würden, winkte er mit einer gekünstelte Geste ab und sagte, einige Vorbereitungsgespräche könne man ja morgen oder übermorgen führen. Bis dahin habe er für uns eine solch hübsche Überraschung vorbereitet, die für uns doch bestimmt nicht durch eine langweilige Unterhaltung über ein paar dämliche alte Reiter verderben lassen wollten. Das schien, soweit es Theoros betraf, gerade noch gefehlt zu haben. Er hob die Füße auf die Liege und tat so, als wolle er einschlafen.
    Nach einigen Minuten, die uns wie eine Ewigkeit vorkamen, gelang es uns zu entkommen, indem wir vorgaben, die Kleider wechseln zu müssen, und wir wurden durch einen langen Gang davongeführt, der Teil der Stadtmauer war. Nachdem wir scheinbar einen Tagesmarsch hinter uns gebracht hatten, wurde jeder von uns in einen hausgroßen Raum geführt, in dem überall mit Schnitzereien verzierte Möbel und Unmengen Silbergeschirr herumstanden. Ich legte

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