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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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war. Auch der Auftritt des Chors wurde begeistert aufgenommen. Es erschien mir 270
    alles ganz furchtbar, denn als nächstes waren jeden Moment die wirklich unverzeihlichen persönlichen Angriffe an der Reihe, und ich fürchtete, einige der Gäste würden mir mit den Fleischmessern die Ohren abschneiden. Ich wagte nicht aufzublicken; statt dessen kauerte ich mich über der Rolle zusammen und versuchte, das Stück so gut wie möglich vorzutragen. Meine Lieblingszeilen, die ich seit der Zeit gehegt und gepflegt hatte, als sie nur wenig mehr als eine plappernde Lautfolge in meinem Kopf gewesen waren, rasselten mir von der Zunge, wie Oliven aus einem löchrigen Korb fallen, und ich wünschte mir damals, ich hätte sie nie geschrieben.
    Die Kleonymos-Szene kam und ging, woraufhin die Szene folgte, in der Hyperbolos seine Großmutter an den Aufseher des Steinbruchs für ein Pfund Salz und zwei Knoblauchzehen verkauft, und noch immer lachten alle Anwesenden. Ich wollte gerade mit der Kleon-Szene anfangen, als mir der Betreffende selbst die Hand auf den Arm legte und fragte: »Komme ich darin vor?«
    Kleon, der einzige Mensch in der Geschichte, der jemals einen Komödiendichter angezeigt hatte. »Ja«, antwortete ich wahrheitsgemäß, wobei ich gebannt auf die Schriftrolle starrte.
    »Hast du eine Abschrift übrig?« fragte er mich. Ich gab ihm eine, und er fand die Stelle. Dann forderte er mich durch einen Wink auf fortzufahren. Plötzlich hörte ich seine Stimme – er las seine eigene Rolle mit und brüllte dabei vor Lachen.
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    »Das ist wirklich gut!« rief er immer wieder begeistert dazwischen. »Rede ich tatsächlich so?«
    »Ja«, bestätigte Kleonymos. »Nun mach endlich weiter, Eupolis! Nach den Prügeln, die ich gerade bezogen habe, genieße ich das, was gerade dran ist, in vollen Zügen.«
    Irgendwie kämpfte ich mich bis zum Schluß durch, und als ich fertig war, klopften mir alle auf den Rücken, bis ich glaubte, mir bräche das Rückgrat.
    »Eupolis von Pallene«, sagte der Archon feierlich, »gehe ich recht in der Annahme, daß du mich um einen Chor bei den Städtischen Dionysien ersuchst?«
    »Ja«, antwortete ich. Das war zwar nicht die eleganteste Rede der Welt, aber ich fühlte mich zu erschöpft, um etwas anderes zu sagen.
    »Dann werde ich dein Stück lesen und darüber nachdenken«, entgegnete er, wobei er die Rolle von mir entgegennahm. »Natürlich wäre es für mich höchst unschicklich…«
    »Höchst unschicklich«, mischte sich Kleon ein. »Red nicht so verdammt geschwollen.«
    »…höchst unschicklich, dazu eine Bemerkung zu machen«, fuhr der Archon fort. »Aber wenn du einen geeigneten Chorlehrer kennst, dann würde es sich für dich vielleicht lohnen, ihm jetzt eine Abschrift zu geben. Die haben gerne Zeit, um die Tänze auszuarbeiten, habe ich recht?«
    »Eigentlich hätte ich Philonides, den Chormeister, aber…«, begann ich.
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    »Na also, dann ist ja alles klar«, unterbrach mich der Archon. »Wenn der hinter dir steht, weiß ich nicht, warum du dir Sorgen gemacht hast, mir das Stück zu bringen.« Ein freches Grinsen huschte ihm über das Gesicht. »Wen sollen wir deiner Meinung nach zur Finanzierung des Stücks berufen, Eupolis, Sohn des Euchoros, aus dem Demos Pallene? Kleon hier ist reich genug dafür. Hast du Lust, Kleon?«
    Kleon lachte lauthals. »Wenn ich das täte, wäre das der Todeskuß für das Stück. Wem könnte man sonst noch das Leben schwermachen, Eupolis? Wie wäre es mit Nikias, Sohn des Nikeratos?«
    Der Archon gab ein eigenartiges Geräusch von sich und goß sich Wein über die Brust. »Du bist wirklich fies, Kleon«, sagte er. »Ich werde ihn morgen früh gleich als erstes zu mir kommen lassen.«
    »Nikias ist ein guter Mensch, hat aber keinen Humor.
    Überhaupt keinen«, erläuterte Hyperbolos, der (natürlich mit Ausnahme von mir) der einzige Anwesende mit einem ehrlichen Gesicht war.
    Dann verlangte jemand eine Zugabe, und diesmal übernahmen nicht nur Kleon, sondern auch Hyperbolos (der einen ausgezeichneten Schauspieler abgegeben hätte) und Kleonymos ihre eigenen Rollen, der Archon war der Chorführer, und wir gingen praktisch das ganze Stück noch einmal durch. Zwei meiner schön zurechtgemachten Schriftrollen wurden von oben bis unten mit Wein bekleckert und verdorben, aber das war mir zu diesem Zeitpunkt vollkommen gleichgültig; und ich glaube nicht, 273
    daß ich Ihnen erzähle werde, was wir mit den geschmackvollen Bronzezylindern gemacht

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