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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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gesunde Hautfarbe verantwortlich sind.«
    »Du bist nicht besser als ein Schwein«, meckerte sie mich an. »Wäschst du dich eigentlich auch manchmal, wenn du auf dem Land bist?«
    »Nie.«
    Sie ließ das Haar über die Schultern fallen wie neuen Wein, der in eine Elfenbeinschale gegossen wird. »Du hast wie ein Vollidiot ausgesehen, als du eben in der Tür gestanden und mit dem Schwert herumgefuchtelt hast.
    Ehrlich, ich habe mich vor diesen Leuten richtig für dich geschämt. Morgen früh weiß das die ganze Stadt.«
    »Es ist bereits morgens«, entgegnete ich. »Und als erstes muß ich los und Philonides den Chorlehrer sprechen.«
    »Also gut«, lenkte sie ein und ließ die Tischdecke um ihre Knöchel fallen. »Dann solltest du jetzt lieber noch ein wenig schlafen.«
    »Wozu die Mühe? Dazu ist es jetzt sowieso schon zu spät.«
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    10. KAPITEL
    ie ich annehme, kommen Sie nun auf den W Gedanken, dabei habe es sich um eine Versöhnung gehandelt, und zukünftig werde im Haus alles zum besten stehen. So verhält es sich aber nicht. Ich denke nicht, daß wir uns von da an gegenseitig weniger haßten; vielmehr glaube ich, daß wir allmählich Gefallen daran fanden, uns zu streiten. Zunächst einmal hatten wir voreinander keine Angst mehr, und unsere Ehe entwickelte sich zu einer Art Kleinkrieg, der natürlich das Herzstück einer jeden guten Komödie ist. Wie ich schon bald feststellen konnte, verbrachte ich immer mehr Zeit zu Hause, obwohl das zumindest teilweise nur daran lag, weil ich mich in diesem Stadtteil aufhalten mußte, um mit Philonides an dem Stück zu arbeiten. Phaidra und ich bekämpften uns die ganze Zeit, Tag und Nacht, und dennoch schienen wir einen höchst eigenartigen Konflikt miteinander auszufechten.
    Eigentlich erinnerte er mich an ihre beiden spartanischen Hunde, die sich ständig gegenseitig an die Kehle sprangen
    – Blut, zerbrochenes Geschirr und nichtendenwollender Lärm. Aber als einer der beiden auf der Straße von einem Karren überfahren wurde, weigerte sich der andere zu fressen, starb kurz darauf und ließ mich um dreißig Drachmen ärmer zurück. Ich verstehe nicht, was Menschen an Hunden finden. Nikias, Sohn des Nikeratos, wurde offiziell zu meinem Geldgeber ernannt, woraufhin ich die Kosten für die Inszenierung ausrechnete und ihm die Aufstellung brachte. Er war praktisch ein Nachbar und 281
    wohnte in einem der besten Häuser in ganz Athen. Sein Vermögen stammte größtenteils aus den Silbergruben, weshalb manche Leute meinten, auf ihn herabsehen zu müssen, aber Nikias hatte nichts vom Silberkönig an sich.
    Er roch nicht nach Geld wie so viele Menschen, die ein Vermögen gemacht haben; eigentlich war sowieso nichts Anrüchiges an ihm. Von allen Menschen, die mir im Leben begegnet sind, fallen mir nur wenige ein, die ich mehr bewundert und gleichzeitig weniger gemocht habe als ihn; denn Nikias war ohne Frage der langweiligste Mann in Athen.
    Er gehörte zu jenen Menschen, die alles durchdenken, langsam, vernünftig, gründlich, und nichts unternehmen, bis sie sich überzeugt haben, daß es wohlüberlegt (und moralisch richtig) ist, diese bestimmte Angelegenheit auf diese bestimmte Weise zu erledigen. Man sah ihn in Gedanken eine Art Kontrolliste durchgehen, und er war der reinste Alptraum, was langes, nachdenkliches Schweigen anging. Auch wenn er ständig von Nierenleiden geplagt wurde, ließ er sich durch seine Krankheit doch nie von seinen Pflichten abhalten (sein ganzes Leben bestand aus Pflichten); und obwohl er offensichtlich an sehr starken Schmerzen litt, erwähnte er nie etwas davon, es sei denn, er empfand es als seine Pflicht zu gestehen, daß er aufgrund des Leidens nicht in der Lage sein werde, dieses oder jenes ordnungsgemäß bewerkstelligen zu können. Die Inszenierung von Komödien (deren Inhalt er nicht einmal im entferntesten verstand und die er grundsätzlich geschmacklos fand) hielt er sowohl für eine religiöse als auch für eine Bürgerpflicht. Da er zudem fest überzeugt 282
    davon war, den Großteil seines Privatvermögens eher als Treuhänder der Einwohner Athens zu verwalten – ich bin mir sogar sicher, daß er selbst am Bezahlen der Steuern Spaß hatte, sofern ihm jemals etwas Spaß machte –, hatte er beschlossen, daß keine Kosten gescheut werden dürften und mein Chor in höchstmöglicher Qualität ausgestattet werden und proben sollte. Doch dann kamen seine Umsicht und Vernünftigkeit ins Spiel; Geiz oder falsch verstandene Sparsamkeit müssen

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