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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Chorkostüme erfahren (und wenn mein Chor purpurnen Stoff trage, warum sie dann keinen bekäme), und ob es wahr sei, daß ich furchtbare Dinge über Kleon gesagt habe, den einzigen ehrlichen Mann in Athen?
    Von dort war es nur noch ein kurzer Schritt zu der Bitte, 288
    ein paar der Reden vorzutragen; und obwohl sie so tat, als schliefe sie ein, sah ich, daß ihre Augen einen ganz kleinen Spalt offen waren und mir durch den Raum folgten, während ich den kompletten Ablauf des Stückes durchging.
    Zum Schluß versprach ich ihr, sie zu der Probe in der nächsten Woche mitzunehmen. Sie erwiderte daraufhin, das sei sehr nett, zumal sie gerade von ihrem Vater eine Abschrift der Thebais geschickt bekommen habe. Auf diese Weise könne sie endlich die Zeit finden, sie zu lesen, bei der ganzen Hausarbeit, die sie zu verrichten habe.
    Als wir später vom Theater nach Hause gingen, fragte ich Phaidra, was sie von dem Stück halte. Sie rümpfte die Nase, als ob sie ranziges Öl röche.
    »Worum soll es darin eigentlich gehen?« fragte sie.
    Ich ging nicht darauf ein und fragte zurück: »Wie haben dir die Chorkostüme gefallen?«
    »Darüber wollte ich gerade mit dir sprechen«, entgegnete sie. »Ich dachte, du hättest gesagt, die sollten wie Trieren aussehen. Oder handelt es sich dabei um einen anderen Chor, der später auftritt?«
    Ich lächelte nachsichtig und antwortete mit ruhiger Stimme: »Ich glaube, es ist Simonides, der sagt – soweit ich mich erinnern kann in Die Bosheit der Frauen –, daß ein Mann kein größeres Geschenk bekommen kann als eine dumme Ehefrau. Haben dir die kleinen Räder daran nicht gefallen? Wenn du mich fragst, war das ein Geniestreich.«
    »Wie lange wird es dauern, bis die ohne diese Räder aufrecht stehen können?« wollte Phaidra wissen. »Wenn 289
    die erst mal abgenommen werden, sehen die Kostüme vielleicht ganz realistisch aus.«
    Ich blieb stehen, gab ihr einen Kuß und sagte: »Du hast mal wieder Petersilie gegessen. Wenn du nachmittags trinken willst, dann tu das einfach. Ich kann es auch durch die Petersilie hindurch riechen, also brauchst du dir in Zukunft um deinen Mundgeruch keine Sorgen zu machen.«
    »Diesen Wein aus Pallene würde ich nicht mal trinken, wenn ich mitten in Ägypten verdursten müßte«, erwiderte Phaidra, und sie hauchte mir ihren Atem voll ins Gesicht, als sie meinen Kuß erwiderte. »Kein Wunder, daß die Leute nicht mehr in unser Haus kommen. Ich habe gehört, Amyntas sei eine Woche lang krank gewesen, nachdem er mich das letztemal besucht hat.«
    »Du triffst dich also immer noch mit Amyntas, obwohl er dir den phönizischen Spiegel mit dem Elfenbeinstiel geklaut hat?« Betrübt schüttelte ich den Kopf. »Und das, obwohl es dich soviel gekostet hat, ihn von seinem Freund zurückzubekommen. Du hast so eine schlechte Menschenkenntnis, Phaidra. Ich weiß wirklich nicht, was aus dir werden soll.«
    »Eigentlich habe ich Amyntas schon seit Wochen nicht mehr gesehen, und da wir schon dabei sind, auch niemanden sonst«, wehrte sie sich etwas kleinlaut und fügte gähnend hinzu: »Können wir jetzt nach Hause gehen?
    Ich habe während deines Stücks richtig geschlafen, aber ich bin immer noch ziemlich müde.«
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    »Das kommt davon, wenn man schon nachmittags trinkt«, erwiderte ich. »Aber wenn du artig bist, zeige ich dir, wo ich den richtig guten Wein aufbewahre.«
    »Unter den Feigen in der Vorratskammer, und das meiste davon ist schon zu Essig geworden«, klärte sie mich schläfrig auf. »An einem der nächsten Tage werde ich meinen Bruder holen, damit er dir zeigt, wie man einen Krug richtig versiegelt.«
    Gerade habe ich das, was ich bislang geschrieben habe, noch einmal durchgelesen und mußte zu meinem Entsetzen feststellen, daß ich von meiner eigenen Geschichte so mitgerissen worden bin, daß ich fast überhaupt nichts über das gesagt habe, was im Krieg geschehen ist. Wäre ich nicht von Natur aus ein leichtfertiger, sondern ein gewissenhafter Mensch, müßte ich jetzt die Rolle zerreißen und ganz von vorn anfangen. Aber wenn ich dieses eine Mal ehrlich sein soll, muß ich gestehen, daß ich mich an den betreffenden Kriegsabschnitt nicht besser erinnere als jeder andere Athener; als Volk haben wir ein auffallend schlechtes Gedächtnis für Dinge, die zu unseren Lebzeiten geschehen sind. Bei den Taten unserer Väter und Großväter sind wir viel besser; aber da wir unsere Kenntnisse über jene Epochen von Menschen beziehen, die zu ihrer Zeit ebenso

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